Lesen Sie einen Fachartikel aus der GIESSEREI 01/2018. Effiziente Prozesse sind entscheidend für den wirtschaftlichen Erfolg von Druckgießereien. Produzenten versuchen daher ihre Prozessabläufe fortlaufend zu optimieren und so die Produktqualität und den Gewinn zu erhöhen. Doch viele Faktoren beeinflussen den Produktionsprozess und entsprechend vielfältig ist die Zahl der zielführenden Maßnahmen. Für eine nachhaltige Prozessoptimierung empfiehlt daher sich ein systematisches Vorgehen.
Grundlage jeder Prozessoptimierung sind fundierte und zuverlässige Angaben zum aktuellen Ist-Zustand der jeweiligen Anlage. In der Praxis hat es sich bewährt, die Gesamtanlageneffektivität oder OEE (Overall Equipment Effectiveness) zu betrachten, da diese unmittelbar die Wirtschaftlichkeit einer Druckgießerei widerspiegelt. Die drei wichtigsten Faktoren dieser Kennzahl sind der Ausschuss, der Nutzungsgrad der Maschine und auftretende Stillstände sowie die Produktivität der Druckgießzelle selbst (Bild 1). Beim OEE handelt es sich um eine spezifische Anlagenkenngröße zur Überprüfung der Anlageneffizienz und -wirtschaftlichkeit. Auch hilft sie dabei, Maßnahmen zur Effektivitätssteigerung zu identifizieren. Erfahrungsgemäß sollte der OEE für Druckgießanlagen über 65 % betragen.
Systematisches Vorgehen
Bei der systematischen Prozessoptimierung wird zunächst analysiert, welcher Faktor den größten Einfluss auf den OEE hat. Je nach produziertem Bauteil und den Gegebenheiten in der Gießerei können sich Leistungs- und Qualitätsverluste sowie Stillstände in unterschiedlicher Ausprägung zeigen. In einer Produktion mit sehr viel Ausschuss liegt der Fokus bei der Optimierung zunächst auf der Qualität der Gussteile. In diesem Fall ist es zunächst nicht zielführend, über Verbesserung der Zykluszeit oder des Nutzungsgrades nachzudenken. Erst im zweiten Schritt erfolgt die Untersuchung von Anlagennutzgrad und Prozessstabilität, abschließend werden Maßnahmen zur Zykluszeitverbesserung vorgenommen. Mögliche Stellgrößen, die diese drei Faktoren unmittelbar beeinflussen, sind die Maschine, das vorhandene Werkzeug, aber auch der Mensch (Bild 2). Während das Werkzeug nur mit großem Aufwand veränderbar ist, führen Feinabstimmungen an der Maschine rasch zu Verbesserungen. Auch durch Schulungen und gut ausgebildetes Personal lässt sich die Effektivität einer Druckgießzelle steigern.
Qualität steigern, Ausschuss minimieren
Qualitätsverbessernde Maßnahmen führen erst dann zum Ziel, wenn die auftretenden Gussfehler eindeutig identifiziert sind. Dabei handelt es sich um physikalische Prozessfehler, welche am Bauteil verschiedene Funktionsfehler verursachen können. Dazu zählen einerseits Gestaltfehler wie Deformation, Verzug oder Formversatz. Andererseits sind auch innere Fehler wie Poren, Lunker oder Einschlüsse sowie Oberflächenfehler wie Risse, Kaltfluss und Gratbildung zu berücksichtigen. Je nach Mangel – diese können auch in Kombination auftreten – sind spezifische Maßnahmen zur Korrektur zielführend. Dafür werden in der Regel Parameter der Druckgießmaschine und der Peripheriegeräte angepasst sowie Modifikationen am Druckgießwerkzeug vorgenommen. In manchen Fällen reicht dies nicht aus und es sind tiefere Eingriffe in die Werkzeugauslegung erforderlich. Dieser Schritt ist in der Regel jedoch meist zeit- und kostenintensiv.
Verbesserung des Nutzungsgrades
Um die Diskrepanz zwischen möglicher und tatsächlicher Produktionszeit aufzuzeigen, bedarf es einer fundierten Auswertung der Stillstandzeiten. Diese können durch Wartung und Instandhaltung, technische Ausfälle und Reparaturen sowie organisatorische Leerläufe durch Bedienfehler, fehlendes Material und Personal verursacht werden. Eine automatische Auswertung über Stillstandzeiten und -gründe liefern spezielle Softwaretools wie beispielsweise der „Event-Analyzer“ von Bühler, Uzwil, Schweiz. Dieser wird auf der Maschinensteuerung installiert. Dort generiert er ein LOG-File, welches an das Expertenteam von Bühler übermittelt und von diesem ausgewertet werden kann. Diese Auswertungen und Statistiken gehen an die Gießerei zurück, die daraus zusammen mit Bühler konkrete Maßnahmen zur Verbesserung des Nutzungsgrades ableiten kann (Bild 3).
Der Vergleich der gewonnenen Daten verschiedener Gießereien liefert erstaunliche Ergebnisse: Während Gießanlagen mit ausgeglichener Produktion kaum Unterbrechungen verzeichnen und bis zu 100 min im Automatikmodus arbeiten, verzeichnen Anlagen mit instabilen Prozessen bis zu 200 Unterbrechungen pro Tag. Teilweise wird dort weniger als 10 min im Automatikmodus gefahren (Bild 4).
Anhand dieser Daten lässt sich unschwer erkennen, welches Potenzial für Produktivitätssteigerungen brachliegt. Durch konsequente Ursachenforschung und angepasste Maßnahmen lässt sich der Nutzungsgrad einer Druckgießanlage nachhaltig steigern. Interessante Ergebnisse ergeben sich auch bei einer Betrachtung der Gründe für Stillstand über einen längeren Zeitraum. Dann lassen sich die Resultate der eingeleiteten Verbesserungsmaßnahmen eindeutig bewerten (Bild 5).
Effizienter Produktionswechsel Beobachtungen in Druckgießereien haben auch gezeigt, dass ein effizienter Werkzeugwechsel einen immensen Beitrag zur Steigerung der Maschinenproduktivität leisten kann. Ein Instrument, das eingesetzt wird, um den Nutzungsgrad einer Gießzelle zu optimieren, ist SMED (Single Minute Exchange of Die). SMED ist ein Ansatz, mit dem der Produktionswechsel effizienter und schneller durchgeführt werden kann. Durch standardisierte Abläufe und Werkzeuge wie z.B. Schnellkupplungen verringert sich die Form-Wechselzeit und die Anlage steht schneller wieder für die Produktion zur Verfügung.
Zykluszeitverbesserung
Die Optimierung der Zykluszeit führt unmittelbar zur Steigerung der Produktionsrate. Anders gesagt: Die Zahl der produzierten Gutteile pro Zeiteinheit steigt. Im heute üblichen Druckgießprozess werden bis zu 45 % der Zeit für den externen Energieaustrag durch das Sprühen verwendet (Bild 6). Dies ist problematisch, denn lange Zykluszeiten senken nicht nur die Produktivität der Maschine. Sie führen auch zu massiven thermischen Belastungen und dadurch zu kürzeren Werkzeugstandzeiten. Zusätzlich beansprucht das Dosieren und das Verfestigen des Aluminiums rund 40 % der Zykluszeit. Diese Zahlen machen deutlich, dass die nahtlose Integration der Peripheriegeräte in den Druckgießprozess sowie Verbesserungen des thermischen Managements durch konturnahe Kühlung und neue Verfahren wie das Minimalmengensprühen großes Potenzial bergen.
Thermisches Management
Das größte Potenzial für die Verbesserung der Wirtschaftlichkeit beim Aluminiumdruckgießen liegt im thermischen Management des Prozesses. Insbesondere die Kühlung des Werkzeugs von außen durch den Sprühprozess soll dabei reduziert werden. Eigentliche Aufgabe des Sprühprozesses ist das Auftragen eines Trennstoffs, damit das flüssige Aluminium nicht mit dem Stahl der Form reagiert und kleben bleibt. Das schützt gleichzeitig die Form vor Korrosion. Der Einsatz des Sprühprozesses zur Kühlung ist zeitintensiv und kostet Ressourcen. Außerdem ist sehr viel Trennstoff erforderlich, welcher entsorgt oder aufbereitet werden muss. Dabei gibt es schon heute Verfahren, die selbst bei komplexen Bauteilen die Form effizient und schnell von innen kühlen. Hierfür bedarf es jedoch bereits in der Konstruktionsphase der Form konkreter Überlegungen, wie bzw. wo eine werkzeugseitige Temperierung möglich und sinnvoll ist.
Konturnahe Kühlung
Der Einsatz von additiven Fertigungsverfahren für den Bau von Werkzeugeinsätzen ist in der Spritzgießtechnik bereits heute weit verbreitet. In der Druckgießtechnik kommen diese jedoch noch selten zum Einsatz. Allerdings hat sich bereits gezeigt, dass sich die reine Kühlzeit eines Gussbauteils durch die korrekte Anordnung dreidimensionaler Kühlstrukturen an der Form um rund die Hälfte reduzieren lässt (Bild 7). Gleichzeitig ermöglicht die Verästelung der Kühlkanäle eine homogenere Oberflächentemperatur und höhere Kühlmitteldurchsätze. Die Konstruktion der Formen und die Verteilung der Kühlstrukturen sind jedoch komplexe und höchst anspruchsvolle Vorgänge. Doch die höheren Kosten bei der Konstruktion und für den Werkzeugbau werden in der Gesamtrechnung durch die verkürzte Zykluszeit und den geringeren Ressourcenverbrauch mehr als ausgeglichen.
Minimalmengensprühen
In Kombination mit einer optimierten, internen Werkzeugkühlung ist die Anwendung der Minimalsprühtechnik empfehlenswert. Da die Form nicht mehr durch den Sprühprozess gekühlt werden muss, genügt es, nur eine dünne Schicht Trennmittel aufzutragen. Dies ermöglicht einerseits eine massive Reduktion der Sprühzeit und andererseits immense Einsparungen beim Sprühmittel-, Druckluft- und Wasserverbrauch (Bild 8). Auch wird die Korrosion der Form reduziert und die Formstandzeit deutlich verlängert.
Parallele Vorgänge
Auch parallele Vorgänge verkürzen die Zykluszeit nachhaltig. Derzeit werden die Prozesse der Druckgießmaschine und jene von Peripheriegeräten, wie beispielweise die Entgratungspresse, getrennt betrachtet. Grund hierfür ist, dass der Gießprozess durch die Maschinensteuerung, die Teileentnahme und deren weitere Behandlung jedoch durch die lokale Robotersteuerung kontrolliert wird. Eine vollständige Optimierung ist damit schwierig und ihre Möglichkeiten sind begrenzt. Für die Zukunft liegt im übergeordneten, globalen Zellenmanagement ein enormes Potenzial. In diesem werden Kernprozesse mit höherer Priorität nach wie vor bevorzugt abgehandelt. Durch die vollständige Integration und damit bessere Koordination von Peripheriegeräten lassen sich jedoch abgestimmte Bewegungen, kürzere Anlaufphasen und reduzierte Zykluszeiten erreichen. Gleichzeitig steigt dadurch die Verfügbarkeit der Gießzelle deutlich.
Gewinnbringender Einsatz
In der Praxis hat sich dieses schrittweise Vorgehen zur Prozessoptimierung bewährt. Egal, ob in Eigenregie oder durch Hinzuziehen eines externen Beraters, auf diese Weise lassen sich beeindruckende Ergebnisse erzielen. Neben der besseren Produktionsqualität profitiert die Gießerei von der höheren Wirtschaftlichkeit ihrer Anlagen. Gleichzeitig arbeitet sie auch ökologischer, da der Einsatz von Ressourcen deutlich sinkt. Eine weitere, deutliche Produktivitätssteigerung wird in Zukunft durch die Einführung des Zellenmanagements möglich sein.
Wirtschaftlicher Einfluss der OEE-Optimierung
Die Verbesserung des OEE ist gleichbedeutend mit der Erhöhung der Gutteil-Ausbringung pro Zeiteinheit. Die Wirtschaftlichkeit einer Druckgießerei lässt sich dadurch deutlich steigern, wie die folgenden Rechenbeispiele eindrucksvoll belegen:
Rechenbeispiel 1
Bauteil: Elektronikgehäuse
Form: 4-fach
Gewicht: 200 g
Jahresmenge: 1 500 000 Stück
Maschinenschließkraft: 1000 t
Zykluszeit: 45 s
OEE Verbesserung von…
5 % führt zur jährlichen Einsparung von
40 500 € (entspricht 2 %)
10 % führt zur jährlichen Einsparung von
76 500 € (entspricht 3,8 %)
15 % führt zur jährlichen Einsparung von
109 500 € (entspricht 5,4 %)
Rechenbeispiel 2
Bauteil: Motorenblock 4-Zylinder
Form: 1-fach
Gewicht: 12 000 g
Jahresmenge: 200 000 Stück
Maschinenschließkraft: 2800 t
Zykluszeit: 90 s
OEE Verbesserung von…
5 % führt zur jährlichen Einsparung von
82 400 € (entspricht 1,1 %)
10 % führt zur jährlichen Einsparung von
155 600 € (entspricht 2,1 %)
15 % führt zur jährlichen Einsparung von
221 000 € (entspricht 2,9 %)
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Den kompletten Artikel finden Sie auch in der GIESSEREI-Ausgabe 01/2018.
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