Veranstaltung
Der Meisterlehrgang der VDG-Akademie findet in den Räumen des BDG in Düsseldorf statt, hier Urs Brandenburger als Referent. - © Dietmar Brandenburg
30.08.2023

So werden aus Mitarbeitern Fachkräfte für Gießereien

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GIESSEREI

Arbeitsplätze fallen weg, Menschen sind arbeitslos – und trotzdem fehlen Fachkräfte. Grund für das Paradoxon: Das Angebot passt nicht zur Nachfrage. Die Lösung: Fachkräfte im eigenen Unternehmen entwickeln. Wie Gießereien Fachkräftemangel vorbeugen und Mitarbeiter ihr Potenzial ausschöpfen können.

VON KRISTINA KRÜGER

Das Problem ist bekannt: Zurzeit fehlen rund zwei Millionen qualifizierte Fachkräfte, gleichzeitig werden Stellen abgebaut und nach wie vor suchen Menschen Arbeit. Die Arbeitslosenquote in Deutschland stieg im Juli um 0,2 Prozentpunkte auf 5,7 Prozent. Wie passt das zusammen? Nun, auch der Arbeitsmarkt ist volkswirtschaftlich gesehen eben nur ein Markt, auf dem Angebot und Nachfrage regieren. Und in diesem Fall passt das Angebot eben nicht zur Nachfrage.

Eine Lösung aus der Misere: die unternehmenseigene Entwicklung von Fachkräften. Die VDG-Akademie der BDG-Service GmbH bietet Gießereien, aber auch jedem einzelnen Mitarbeiter die Möglichkeit dazu. Der Industriemeisterlehrgang der VDG-Akademie ist einer von bundesweit zwei Meisterlehrgängen mit der Fachrichtung Gießerei, bei denen die Industrie- und Handelskammer (IHK) Partner ist. Im November startet der nächste Kurs, Anmeldeschluss ist der 15. Oktober 2023.

Auf die Initiative der VDG-Akademie entstanden, bietet die hundertprozentige Tochter des Bundesverbands der Deutschen Gießerei-Industrie mit dem berufsbegleitenden Lehrgang eine speziell auf die Bedürfnisse der Gießerei-Industrie ausgerichtete Weiterqualifizierung an. Sie richtet sich einerseits an Gießereien, die auf diese Weise Fachkräfte aus ihren eigenen Reihen generieren können. Andererseits können Mitarbeiter ihre berufliche Weiterentwicklung selbst in die Hand nehmen. Der Lehrgang steht jedem offen, der die Zulassungsvoraussetzungen erfüllt.

 

In einem erprobten System lernen

Vorteil der Partnerschaft mit der IHK Düsseldorf: Die Referenten der VDG-Weiterbildung sitzen auch im Prüfungsausschuss der IHK, der die Prüfungsaufgaben zusammenstellt. Dadurch ist gewährleistet, dass gelehrt wird, was nachher in der Prüfung auch abgefragt wird, Lerninhalte und Prüfungsaufgaben sich also decken. Dipl.-Ing. Holger Becker, gießerei-erfahrener VDG-Referent und langjähriges Mitglied im Prüfungsausschuss für den Meisterlehrgang: „Durch den Konnex von Prüfungsausschuss und Lehre stellen wir sicher, dass auch das Richtige gelehrt wird. Wir sind stolz darauf, dass unsere Absolventen regelmäßig gut abschneiden.“ Der erfolgreiche Abschluss ist dem Abitur gleichgestellt. Auch ein Studium ist danach möglich.

 

Was wird gelehrt – brauche ich das?

„Ich bin schon seit Jahren in der Gießerei tätig“ – „Was ich brauche, lerne ich im Betrieb“ – „Unsere Mitarbeiter haben wir selbst auf ihre Aufgaben vorbereitet – warum einen zusätzlichen Lehrgang?“ – Einwände, die vielleicht in den Gießereien Mitarbeitern oder Entscheidern durch den Kopf gehen. Einwände, die eine qualitativ hochwertige Weiterbildung schon durch ihre Inhalte entkräftet. Was zeichnet den Meisterlehrgang der VDG-Akademie aus?

Kurz gesagt: Bei dem Industriemechaniker Gießerei steht die praktische Arbeit im Mittelpunkt. Der Industriemeister dagegen übernimmt darüber hinaus Führungsaufgaben, die Qualitätskontrolle und fungiert als Schnittstelle zwischen Belegschaft und Management. Der Meisterlehrgang Fachrichtung Gießerei gliedert sich daher in einen fachrichtungsübergreifenden Basisteil (BQ) und einen handlungsspezifischen Teil (HQ). In den beiden Teilen werden fachfremde Tätigkeiten wie Betriebswirtschaft, Personalführung und Organisation eines Betriebes gelehrt. Denn ein Meister ist berechtigt, selbst Lehrlinge auszubilden. Deswegen muss der Absolvent des Meisterkurses bei der IHK auch einen „Ausbildung der Ausbilder“-Kurs vorlegen, bevor er zur Prüfung zugelassen wird. Daher gehört dazu auch ein pädagogischer Teil, in denen Methoden der Information, Kommunikation und Planung sowie Zusammenarbeit im Betrieb vermittelt werden. Außerdem treten zu der bisherigen praktischen Erfahrung jetzt theoretische Kenntnisse, aktuelle Prozesse und innovative Entwicklungen aus den Bereichen der Gießereitechnik, technischen Kommunikation und Werkstofftechnologie.

Die angehenden Industriemeister, die den Meisterlehrgang des VDG besuchen, treffen sich in den Räumen des BDG in der Hansaallee in Düsseldorf, wo ihnen in zwölf Teilkursen das nötige Wissen vermittelt wird. Zusätzlich werden mehrere Gießereien besucht, so dass die Teilnehmer ihr theoretisches Wissen in der Praxis vertiefen können. Dadurch entsteht eine Gemeinschaft, die das Lernen erleichtert und über den Kurs hinaus auch für die Unternehmen ganz konkrete Vorteile mit sich bringt. Die Gießereibranche ist überschaubar. Man kennt sich. „Der Lehrgang war auch Networking, selbst bei konkreten technischen Fragen hatte ich später Kontakte, mit denen ich mich austauschen konnte“, so Jemal Hirsi. Der 38-Jährige hat den Meisterlehrgang in Düsseldorf erfolgreich abgeschlossen. Er ist seit 2018 Meister im Bereich Formerei, Gießerei und Sandaufbereitung mit einem 77-köpfigen Team und qualifiziert sich weiter. In 2023 hat er ein VDG-Zusatzstudium Gießereitechnik aufgenommen.

 

Wer kann teilnehmen – Zulassungsvoraussetzungen

Die Weiterbildung zum Industriemeister steht allen drei Fachrichtungen offen, in denen in Gießereien ausgebildet wird: Maschinenformguss, Handformguss sowie Druck- und Kokillenguss. Die Hürden zur Meisterprüfung sind bewusst niedrig gehalten: ein Abschluss in einem Gießereiberuf plus einjährige einschlägige Berufspraxis, ein fachfremder Abschluss und mindestens 18 Monate Gießereipraxis oder kein Abschluss und mindestens fünf Jahre im Bereich Gießerei. Weitere Details sind unter www.vdg-akademie.de/vdg-meisterlehrgang zu finden.

 

Fördermöglichkeiten

Dass der Industrie Fachkräfte fehlen, ist in der Politik angekommen. Die Länder fördern die Meisterausbildung. Bayern zum Beispiel strebt eine kostenfreie Meisterausbildung an und hat den Meisterbonus auf 3000 Euro angehoben. Das Land Nordrhein-Westfalen zahlt ab Mitte 2023 im Rahmen seiner Fachkräfteoffensive eine Meisterprämie von 2500 Euro für jede erfolgreich abgelegte Meisterprüfung. Außerdem können die Teilnehmer am VDG-Meisterlehrgang Aufstiegs-BAföG nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz (AFBG) beantragen. Weitere Infos dazu über www.weiterbildungsberatung.nrw/finanzierung/aufstiegs-bafoeg

 

Fazit – Win-Win-Situation

Fachkräfte, die perfekt auf die Bedürfnisse von Unternehmen zugeschnitten sind, gibt es auf dem Arbeitsmarkt kaum noch. Das gilt für jede Branche. Zu unterschiedlich sind die Anforderungen. Das gilt besonders für die Gießerei-Industrie, die als Branche sehr spezialisiert ist und in der außerdem die Unternehmen noch einen hohen Spezialisierungsgrad aufweisen. Gießereien stellen zum Teil ausgesprochen individuelle Anforderungen an ihre Mitarbeiter. Die eigenen Angestellten nach Potenzial auszuwählen, sie zur eigenen Weiterentwicklung zu motivieren und in ihre Qualifikation zu investieren, verhindert, dass plötzlich allein schon aufgrund der demografischen Entwicklung Fachkräfte fehlen. Und Mitarbeiter, die ihr berufliches Potenzial ausschöpfen können, sind motiviert und identifizieren sich mit ihrem Unternehmen. Vorteile sowohl aus Unternehmer- als auch aus Mitarbeitersicht. Eine Win-Win-Situation also, die die Fachkräfte-Misere für viele Gießereien entschärfen könnte.

Weitere Infos zum Industriemeisterlehrgang Fachrichtung Gießerei unter:
www.vdg-akademie.de/vdg-meisterlehrgang
www.meisterschulen.de/meisterkurse/industriemeister-giesserei
www.ihk.de/duesseldorf/weiterbildung

Schlagworte

EisenFachkräftemangelGießereiGussKommunikation

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