Seit fast zwei Jahrzehnten führt Rolf Kayser die Kunstgießerei Kayser GmbH im Düsseldorfer Hafen. Unter seiner Leitung entwickelte sich die Gießerei zu einer der Top-Adressen für anspruchsvollen Kunstguss in Deutschland. Künstler von Weltrang wie Tony Cragg und Thomas Schütte vertrauen ihm ihre Projekte an – und schätzen seine authentische Art. Rolf Kayser ging zielstrebig seinen Weg.
Erster Kontakt zu Künstlern prägte ihn nachhaltig
Um ein Haar wäre Rolf Kayser im beschaulichen Zweibrücken in der Pfalz geblieben. Aus ihm wäre ein Zinngießer geworden – wie sein Vater, sein Großvater und sein Urgroßvater es bereits waren. Denn er stammt aus einer weitverzweigten, alteingesessenen Zinngießer-Dynastie und trägt wohl das Gießer-Gen in sich, wie er schmunzelnd einräumt. Kayser-Kunst im Jugendstil war Anfang des 20. Jahrhunderts weltweit gefragt. Bei der Weltausstellung in Paris gewann man seinerzeit die Goldmedaille für Design und einige solcher Stücke sind heute noch im Museum of Modern Art in New York zu bewundern. Die Suche nach einer Lehrstelle zum Zinngießer gestaltete sich überaus schwierig. „Manchmal hatte ich den Eindruck, dass die Unternehmen sich keine spätere Konkurrenz heranziehen wollten“, lacht Kayser. Sein Vater hatte als Handlungsreisender gute Kontakte zu einem Antiquitätengeschäft in Düsseldorf. Die Schwester des Geschäftsinhabers wiederum war Künstlerin und Kundin einer Kunstgießerei im Düsseldorfer Hafen. Und so kam es, dass der 17-Jährige Rolf Kayser 1978 plötzlich im Zug nach Düsseldorf saß, um bei Raimund Kittl eine Ausbildung zum Ziseleur zu beginnen. „Von der Provinz in die Großstadt – das war am Anfang ganz schön hart für mich“, erinnert sich Kayser.
Der junge Mann lernte das klassische Ziseleur-Handwerk von der Pike auf – und hatte erste Kontakte zu Künstlern. Zu Anatol beispielsweise: „Ein Hüne von Mann, der ständig einen riesigen schwarzen Hut trug. Wenn er in die Gießerei kam, dann sagte er häufig zu mir: Na, mein Junge! Azubi? Ha, ein Arschloch zum Bierholen. Und dann lachte der eigenwillige Künstler.“ Kaysers Lehrherr Raimund Kittl unterrichtete zudem an der Düsseldorfer Kunstakademie und nahm seinen Azubi häufig mit in die dortige Gießereimetallwerkstatt. Die Künstler und das ganze Drumherum beeindruckten den damals 18-Jährigen. Nach Gesprächen mit dem Düsseldorfer Bildhauer Bert Gerresheim stand für Rolf Kayser schließlich fest: „Die Bildhauerszene ist meine Welt. In diesem Bereich will ich weiterhin arbeiten.“ Künstler seien ganz besondere Persönlichkeiten, mit einer gewissen Aura, fügt er heute an. Sein Vater konnte die Pläne seines Sohnes nicht recht nachvollziehen. Doch Rolf Kayser setzte sich durch – und blieb nach seiner Ausbildung in Düsseldorf.
Selbstständigkeit war immer das Ziel
Kayser hatte ganz konkrete berufliche Ziele: Ausbildung, Gesellenbrief, Bundeswehr, Meisterbrief, Selbstständigkeit. „Dass ich mich eines Tages selbstständig mache, das war für mich immer klar. Entweder übernimmst du was oder du baust was komplett Neues auf der grünen Wiese auf, habe ich mir gesagt.“ Manchmal wäre Letzteres vielleicht die bessere Entscheidung gewesen, sinniert er kurz – denn bis zur Übernahme seines Lehrbetriebes sollten noch fast 20 Jahre vergehen. Aber das ist auch das Einzige, was er rückblickend ein wenig bedauert. „Ansonsten habe ich alles richtig gemacht“, sagt Kayser, der seit mittlerweile 40 Jahren mit seiner Familie in Düsseldorf lebt. Seine Frau managt die Büroarbeit, sein 17-Jähriger Sohn jobbt gerade bei Papa in der Gießerei. Ob er einmal die Kunstgießerei weiterführen wird, das steht noch in den Sternen. „Für diese Arbeit braucht man viel Herzblut und Engagement. Es macht überhaupt keinen Sinn, meinen Sohn in diese Richtung drängen zu wollen.“
Als Rolf Kayser schließlich im Jahr 1999 die Kunstgießerei übernehmen konnte, gab es gerade einmal fünf Mitarbeiter. Einige bekannte Künstler hatten der Kunstgießerei mittlerweile den Rücken gekehrt und ließen ihre Skulpturen anderweitig gießen – Tony Cragg und Bert Gerresheim waren darunter. „Ich habe mich immer als Dienstleister für die Künstler und nicht als Konkurrenz zu ihnen verstanden. Ich setze ihre Entwürfe um und würde mich nie in den künstlerischen Prozess einmischen.“ Es sprach sich schnell herum, dass nun Rolf Kayser die Kunstgießerei leitet – und viele der ehemaligen Kunden kehrten an die Bremer Straße zurück. „Richtig groß geworden sind wir dann mit Thomas Schütte, der Anfang der 2000er Jahre zum gefragten Künstler wurde“, ergänzt Kayser. Mittlerweile beschäftigt er 35 Mitarbeiter. Die meisten sind Quereinsteiger. Mit einer guten Portion Pragmatismus fand Kayser die passenden Leute. „Der eine hat vorher im Gartenbau gearbeitet und Sand geschippt. Den konnte ich gut in der Sandformerei einsetzen. Und ein anderer war gelernter Lackierer – also ab in unsere Lackiererei mit ihm“, lacht Kayser. Zwei Mitarbeiter haben mittlerweile sogar ihre Meisterprüfung in der Tasche.
Ein Handwerksbetrieb ist keine CNC-Maschine!
Aufträge oder Künstler abgelehnt, das hat Rolf Kayser in den vergangenen 20 Jahren nur äußerst selten. Seine „Toleranzgrenze“ ist jedoch eindeutig: „Ich hätte für einen Antiquitätenhändler aus den USA 25 Hakenkreuze mit Reichsadler gießen sollen. Der Auftrag hätte mir zwar viel Geld gebracht, aber so etwas mache ich generell nicht“, sagt er und wird für einen kurzen Augenblick wütend – was bei dem ansonsten tiefenentspannten Mann nur äußerst selten vorkommt. Und einem Künstler habe er dann doch die Zusammenarbeit aufgekündigt: Er sei ihm auf die Dauer zu anstrengend gewesen. „Er wollte tatsächlich alles auf den Mikrometer genau gegossen haben und hat ständig alles nachgemessen. Wir sind aber ein Handwerksbetrieb und keine CNC-Maschine.
Ich habe ihm seine Anzahlung zurückgezahlt und damit war der Fall für mich erledigt.“ Für junge Studenten der Kunstakademie hingegen hege er eine große Sympathie und kalkuliere daher auch schon mal mit dem spitzen Bleistift. Von seitenlangen schriftlichen Verträgen hält Kayser nur wenig; die meisten Verträge schließt er heute per Handschlag ab. Vertrauen, Zuverlässigkeit und Kameradschaftlichkeit – diese Eigenschaften sind ihm im geschäftlichen wie im privaten Umgang wichtig. Er ergänzt: „Und jeder, der was Vernünftiges mit mir machen will, muss mich duzen.“
Ohne Smartphone und Computer geht es auch
Rund ein halbes Dutzend Kunstprojekte kann die Kunstgießerei gleichzeitig abwickeln. Ausgangspunkt ist stets das Modell des Künstlers, das manchmal nicht höher als ein Kaffeebecher ist. Bis vor wenigen Jahren haben Kayser und seine Mitarbeiter die Modelle in benötigter Originalgröße noch in allen ihren Einzelteilen selbst hergestellt – die Fußballlegende Toni Turek oder den Komponisten Mendelssohn Bartholdy beispielsweise. Inzwischen übernimmt dies ein externes Unternehmen für 3-D-Druck. Sämtliche Negativformen lagern in einer eigenen Halle auf meterhohen Regalen. Rolf Kayser und seine Mitarbeiter wissen ganz genau, wo jedes einzelne Teil seinen Platz hat. „Da kann kein computerunterstütztes Lagerhaltungssystem mithalten“, scherzt er. Die Einzelteile werden in Sand geformt, gegossen, zusammengeschweißt, ziseliert und patiniert. Beim Gießen gehe selten etwas daneben – und bei allen weiteren Arbeitsschritten dürfe einfach nichts daneben gehen.
Edelstahl seinen Hochglanz zu verleihen, das sei wohl einer der aufwendigsten Arbeitsschritte überhaupt und schlicht „eine Arbeit für Strafgefangene“, merkt Kayser an und stöhnt leise auf. Schleifen, Schleifen und nochmals Schleifen, zum Schluss sogar mit feinstem Sandpapier – nicht eine einzige Unebenheit darf noch zu erkennen sein. Diese Arbeit kann bei einer sechs Meter hohen Skulptur schon einmal leicht drei Monate dauern. Sieht dann aber auch perfekt aus. Seine Kunden danken es ihm.
Sein größtes Kompliment habe er vor einigen Jahren auf einer Weihnachtsfeier von Tony Cragg erhalten. Der Künstler widmete in seiner Ansprache seiner Ehefrau und ihm mehrere Minuten, dankte ihm für die gute Zusammenarbeit. „Das hat mich schon mit Stolz erfüllt“, sagt Kayser bescheiden. Wenn der aktuelle Auftrag für den Bildhauer Thomas Schütte erst einmal sicher im Container Richtung USA verstaut ist, geht es für Rolf Kayser und seine Mitarbeiter in den wohlverdienten Betriebsurlaub. Kein Handy-Geklingel und keine Kurznachrichten werden Kaysers Erholung stören, denn ein Smartphone besitzt er bis heute nicht. „Brauche ich nicht. Diese Dinger sind völlig überbewertet.“ Kayser ist seit Jahren überzeugter Portugal-Fan. Manchmal fliegt er auch ganz spontan für ein Wochenende dorthin. So kann es passieren, dass man ihn am Freitagmittag in voller Arbeitsbekleidung und nur mit seinem Flugticket im Gepäck am Düsseldorfer Flughafen antrifft. Er habe sogar schon einmal mit der Idee geliebäugelt, eine Kunstgießerei in Portugal zu eröffnen, erzählt er.
Lust auf Neues verspüre er auch nach mehr als 40 Berufsjahren noch. Sollte es in den nächsten Tagen mit der Fertigstellung der Skulpturen für Thomas Schütte zeitlich etwas eng werden, dann stehen erst einmal Überstunden an. Kein Problem: Auf seine Mitarbeiter kann Rolf Kayser auf jeden Fall zählen – auch deshalb, weil er selbst mit anpacken wird. Und dass er für seine Mitarbeiter zur nächsten Imbissbude fährt und sie mit halben Grillhähnchen versorgt, ist für ihn Ehrensache.