Fachartikel
© Christian Thieme
10.06.2024

Grundlagenforschung bringt Licht in die letzten Winkel der „Blackbox“

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GIESSEREI

Große Gießereitechnische Tagung 2024: Das Gießen hat eine jahrtausendelange Tradition - und immer noch gibt es eine Menge über Guss- und Formwerkstoffe sowie zu deren technischem Verhalten zu erforschen. In fünf spannenden Vorträgen berichteten junge Wissenschaftler aus gießereitechnischen Forschungsinstituten über ihre grundlegenden Untersuchungen und deren Nutzen für mehr Effizienz und Nachhaltigkeit.

VON MONIKA WIRTH

Je tiefer das Verständnis der molekularen Zusammenhänge geht, desto genauer lassen sich die makroskopischen Eigenschaften und Wirkungen beschreiben und vorhersagen sowie nachhaltige Verfahren entwickeln. Zum Beispiel müssen Varianzen in der Gussqualität als Resultat der eingesetzten (Postconsumer)-Schrotte, recycelter Kernwerkstoffe, alternativer Energiequellen sowie veränderter Prozessketten berücksichtigt und eingeordnet werden, um hergestellte Gussbauteile sicher qualifizieren zu können.

 

Legierungs- und Bauteilqualitäten

Neben Kohlenstoff und Silizium als Hauptlegierungselemente enthält technisches Gusseisen mit Kugelgrafit (GJS) eine breite Palette von Legierungszusätzen. Ihre Wechselwirkungen unter verschiedenen Prozessbedingungen führen zu einem morphologischen Spektrum der Grafit-Perlit-Mikrostruktur. Das Institut für Werkstoffanwendungen im Maschinenbau (IWM), RWTH Aachen, forscht interdisziplinär an der Mikrostrukturentwicklung und den resultierenden mechanischen Bauteileigenschaften. Lutz Horbach arbeitet mit seiner Forschergruppe an der Integration experimenteller Studien in die numerische Modellierung, um maßgeschneiderte Kennwerte durch eine gezielte Gefügeeinstellung zu erreichen. Es wurden eine Vielzahl an Schliffbildern digitalisiert und geclustert, die dem Training eines neuronalen Netzes zur Bestimmung der Einflussfaktoren dienen. Erste Ergebnisse zeigen, dass das Verhältnis von Magnesium zu Schwefel entscheidend ist, sowohl für die Nodularität als auch für den Lamellenabstand im Perlit. Ziel ist eine exakte Simulation der Einflüsse zur spezifischen Legierungseinstellung. Felix Weber legt mit seinem Team den Schwerpunkt auf die Gefügebewertung in sehr großen Gussbauteilen, wie zum Beispiel Planetenträgern von Windkraftanlagen. Insbesondere die Berücksichtigung lokaler Werkstoffeigenschaften soll es ermöglichen, Leichtbauaspekte auch bei Großbauteilen besser umzusetzen. Der hier vorgeschlagene Ansatz stützt sich maßgeblich auf Informationen, die aus Hohlbohrproben gewonnen werden. Der Vorteil dieser Methode ist, dass die Proben ohne Verletzung der Bauteilintegrität aus dem realen Objekt stammen und so gleichzeitig Informationen über das lokale Gefüge liefern. Ferner können sie in thermografischen Prüfverfahren verwendet werden, die eine Abschätzung der Schwingfestigkeit erlauben. Durch eine Kopplung mit der Gießprozess-Simulation können die experimentell gewonnenen Informationen direkt mit dem lokalen Erstarrungsverhalten im Bauteil korreliert werden. Dieser integrierte Ansatz ermöglicht es, gefertigte Bauteile mit einem reduzierten Arbeitsaufwand zu qualifizieren.

 

Kernherstellung und -entsorgung

Organisch gebundene Gießereikerne werden zunehmend durch anorganisch gebundene ersetzt, was die Emissionen weitgehend auf Wasserdampf reduziert. Dieser ökologische Pluspunkt geht mit der technischen Problematik einher, dass der Wasserdampf an kälteren Kernstellen zunächst kondensiert und dann mit Erreichen der Siedetemperatur schlagartig verpuffen kann. Dies birgt ein erhöhtes Risiko für Gasfehler an den Gussteilen und macht entsprechende Gegenmaßnahmen bei der Kerngeometrie notwendig. Simon Kammerloher vom Institut für Ur- und Umformtechnik der TU München stellte seine Arbeiten vor, um Daten für belastbare Modellrechnungen zu generieren und die Gasfreisetzung im Kern besser zu verstehen. Es wurde ein Versuchsstand entwickelt, der die Messung der temperaturabhängigen Gasentwicklung im Kern, sowie die druckabhängige Gasdurchlässigkeit des Formstoffs ermöglicht. Mit den gewonnenen Daten lässt sich der Kernstoß quantifizieren und in einem nächsten Schritt die Vorhersage in Simulation und Prozess implementieren.

Im Druckguss finden verlorene Kerne bisher nur bedingt Anwendung, da sie den Prozessbedingungen in der Regel nicht standhalten. Ein höherer Bindergehalt bringt zwar auch höhere Festigkeitswerte, erschwert aber gleichzeitig den Entkernprozess. Max Schütze von der Hochschule Aalen - Technik und Wirtschaft – sieht hier noch Entwicklungspotenzial und forscht an hybriden Sandkernen, die in einem zweischichtigen Kernschießprozess hergestellt werden. Das Innere dieser hybriden Kerne besteht aus einer weniger festen Sand-Binder-Mischung, die dann in einem weiteren Kernschießprozess mit einer hochfesten Mixtur umschlossen wird. Dies erlaubt die getrennte Optimierung zur Lösung des typischen Zielkonflikts zwischen Kernfestigkeit und Zerfallseigenschaft. Über unterschiedliche Analysen, wie Messung der auftretenden Kräfte im Kern, das Filmen der Strömung im Wassermodell und Wärmebildaufnahmen des realen Aluminium-Druckgießprozesses, wurde der Druckgießprozess charakterisiert. Hieraus werden Anforderungen an die Teilkerne abgleitet und im nächsten Schritt eine Simulationsmethodik entwickelt, um entsprechende Kerne herzustellen.

Das Gießerei-Institut der TU Bergakademie Freiberg forscht intensiv an der Sandaufbereitung und betreibt eine entsprechende Anlage. Die Ergebnisse der Forschungsarbeiten zur Verwendung der regenerierten Sande für die Kernherstellung sind vielversprechend. Doch inwieweit sind auch die anfallenden Stäube aus der Grünsandregenerierung nutzbar? Dieser Frage geht Gerhard Pentz nach, denn will man Wertstoffe möglichst umfassend im System halten, sollten auch jene aus dem Altsand-Recyclingstaub Berücksichtigung finden. Es wurden neue Technologien entwickelt, bei denen die Stäube mittels eines Abweiseradsichters in eine Fein- und eine Grobfraktion geteilt werden. Die Wertstoffe wie Bentonit und Glanzkohlenstoffträger werden dabei bevorzugt in der Feinfraktion angereichert. Die weiteren Untersuchungen zielen darauf ab, wie diese zum Wiedereinsatz kommen können.

Schlagworte

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