Herr Messer, bevor wir auf den EUROGUSS Executive Circle eingehen, möchten wir Sie um eine Einschätzung zur aktuellen Situation der Aluminium-Druckgussindustrie in Deutschland bitten.
Johannes Messer: Die Druckgussindustrie befindet sich seit Ende 2018 in einem komplexen mehrdimensionalen Spannungsfeld. Auslöser war zunächst die in den Fokus geratene Klimadiskussion um die CO2-Emission. Die Automobilindustrie als wichtigster Kunde der Druckgussindustrie war schnell als „Hauptschuldiger“ ausgemacht. Politische Unruhen, Corona und der Krieg in der Ukraine folgten.
Im Ergebnis kam es zu dramatischen Umsatzrückgängen, von denen sich die Branche bis heute nicht erholt hat. 2022 lag die Aluminiumgussproduktionstonnage in Deutschland mit 703 000 Tonnen noch um fast 40 Prozent hinter dem Spitzenwert von 2016 von 1,1 Millionen Tonnen. Kurzfristig, heißt 2023 oder 2024, sind nach meiner Einschätzung auch keine gravierenden Verbesserungen zu erwarten.
Der ungewöhnlich lange Zeitraum und die Vielzahl der Ereignisse wie Umsatzreduzierungen, Transformationen (ICE zu BEV) und Energiekostensteigerungen haben in vielen Unternehmen zu einer erheblich gesunkenen Ergebnisqualität und in Konsequenz zu einer echten Finanzschieflage geführt.
Das hört sich ernüchternd an.
Messer: Ja, aber es gibt auch positive Signale. Der Trend zum automobilen Leichtbau ist ungebrochen. Experten gehen sogar davon aus, dass der Trend durch die Transformation zur E-Mobilität weiter zunehmen wird. Dazu beigetragen haben auch aktuelle technologische Entwicklungen wie GIGA-Casting. Ducker geht in einer aktuellen Studie davon aus, dass in Europa der durchschnittliche Einsatz von Aluminiumguss im Fahrzeug bis 2030 um 22 Kilogramm auf dann 145 Kilogramm ansteigt.
Erkannt haben die Vorteile und den Trend zum Aluminium aber auch andere. In China zum Beispiel gehört automobiler Leichtbau zur langfristigen Strategie „Made in China 2025“ und steht somit unter besonderer „Förderung“. Dies hat im Ergebnis auch dazu beigetragen, dass sich die chinesische Aluminium-Gießereiindustrie außergewöhnlich schnell entwickelt: positiv, sowohl technologisch als auch wirtschaftlich.
Der internationale Wettbewerb aus China, Mexico und in Zukunft auch Indien wird immer gewichtiger. Deutschland und Europa, aber auch die hier ansässigen Kunden – OEMs und Tier 1 – brauchen eine starke nationale Gießereiindustrie. Das herausragende Gießereinetzwerk in Europa sehe ich dazu als Erfolgskriterium und somit als Erfolgsgaranten.
Herr Boss, es tut sich viel in der Branche. Wie reagieren Sie als Messeveranstalter darauf?
Christopher Boss: Zunächst möchte ich das von Herrn Messer Gesagte unterstreichen. Auch wir sehen diesen Trend und reagieren schnell und konkret darauf: Wir haben und unterstützen vergleichbare Messen wie die EUROGUSS in China, Mexico und Indien – und erleichtern damit auch europäischen Zulieferern und Herstellern den Zugang zu den aufstrebenden Märkten. Gleichzeitig greifen wir natürlich die aktuellen Themen auch im Rahmenprogramm der kommenden EUROGUSS auf.
In der Zeit vom 12. bis 14. Juli 2023 fand beispielsweise die CHINA DIECASTING in Shanghai statt. Diese Messe wird organisiert von der NürnbergMesse zusammen mit dem Foundry Institute of Chinese Mechanical Engineering Society. In diesem Jahr hat dort das schon genannte GIGA-Casting als Leitthema und mit eigener Halle einen ganz besonderen Platz. Nachdem wir das letzte Mal vor vier Jahren in China waren, war es für uns besonders spannend zu sehen, wie sich der Markt und die Technologie in China entwickelt haben.
Die „heimische“ EUROGUSS in Nürnberg steht vom 16. bis zum 18. Januar 2024 im Kalender der Unternehmen der Druckgussbranche. Können Sie uns schon einen Einblick geben, was uns erwartet?
Boss: Und wie es mit den Vorbereitungen in Nürnberg aussieht? Sie laufen auf Hochtouren. Nürnberg wird in diesen drei Tagen wieder zu DEM Treffpunkt der internationalen Druckgussbranche. Nach der einmaligen Sommer-Edition im vergangenen Jahr kehren wir nun wieder zum angestammten Termin im Januar zurück. Die Vorfreude ist nicht nur bei den Ausstellern riesengroß – die Hallen sind aktuell so gut wie ausverkauft.
Wir haben wieder viele spannende Speaker eingeladen, tüfteln am Rahmenprogramm, am 23. Druckgusstag oder auch am Talent Award und dem Europäischen Druckgusswettbewerb. Wir haben viel vor und die Aufregung steigt.
Wir freuen uns darauf, das Geplante auch wieder umgesetzt vor Ort zu erleben. Lassen Sie uns gleich von einer Veranstaltung zur nächsten springen, Herr Boss: EUROGUSS Executive Circle. Wie kommt es zu dem neuen Format?
Im Ursprung des EUROGUSS Executive Circles steht die Frage: „Was müssen wir tun, damit die Branche langfristig erfolgreich bleibt und welche Rolle können wir als klassischer Messeveranstalter dabei einnehmen?“ Diese Frage kommt immer wieder auf, wenn wir uns mit Personen des Druckguss-Gießereinetzwerks unterhalten.
Vorhandene Formate wie Messen, Kolloquien und Konferenzen sind sehr gut etabliert, haben eine hohe Qualität und erfüllen die an die Veranstaltung gesetzten Wünsche und Ziele. Sie sind maßgeblich am Erfolg der Branche beteiligt. Was allerdings fehlt, ist der Fokus auf den Austausch und die Themen und Bedürfnisse des C-Levels. Das sind auch diejenigen, die sich den Fragen zur Zukunftsfähigkeit stellen und Lösungen parat haben müssen, um langfristig eine Perspektive für die Unternehmen aufzubauen.
Was bedeutet das ganz konkret?
Boss: Jeder kennt es doch: Oftmals sind die Kaffeepausen und der Austausch mit anderen Branchenteilnehmern über konkrete Themen das Wertvollste. Wir wollen unseren Beitrag leisten mit einem Format, das die Entscheider aus der gesamten Wertschöpfungskette des Druckgusses zusammenbringt und den Austausch und die Interaktion in den Vordergrund stellt. Der EUROGUSS Executive Circle ist ein exklusives Treffen von den Köpfen und Führungskräften aus der gesamten Wertschöpfungskette, die sich gemeinsam zu langfristigen Zukunftsszenarien austauschen.
Messer: Die Inhalte der Veranstaltung sind nicht die Themen von heute und morgen, sondern wie der Kollege Boss sagt, die von übermorgen.
Sie planen den Executive Circle zusammen mit dem renommierten Zukunftsinstitut und nennen das Programm Zukunftstag. Was hat es damit auf sich?
Boss: Das Zukunftsinstitut ist eines der führenden Institute, wenn es um Szenarien für die Zukunft oder Megatrends geht. Wie bei Technikern üblich wurde in der Konzeption des Events genau bedacht: Wie muss der Zukunftstag aussehen, damit er den Anforderungen der Branche gerecht wird und mit welchem Partner schaffen wir das? Letztlich ist die Wahl im engen Austausch mit dem Druckguss-Gießereinetzwerk auf das Zukunftsinstitut gefallen. Die bisherige Zusammenarbeit bestärkt uns, dass es die richtige Entscheidung ist.
Messer: Das Zukunftsinstitut beschäftigt sich in Vorbereitung des Events intensiv mit unserer Branche. Es ist unter anderem ein eintägiger Workshop mit Experten der kompletten Wertschöpfungskette geplant.
Herr Boss, können Sie noch einmal auf den angesprochenen Teilnehmerkreis eingehen?
Boss: Persönlich eingeladen sind das C-Level und die Entscheider des Druckguss- Gießereinetzwerks. Darüber hinaus haben die eingeladenen Personen die Möglichkeit, auch junge Führungskräfte und Top-Talente aus ihren Unternehmen anzumelden. Die Anzahl ist allerdings begrenzt. Bei positiver Resonanz findet der EUROGUSS Executive Circle aber regelmäßig statt und soll ein beständiges Forum bieten.
Herr Messer, Herr Boss, warum sollte man an der Veranstaltung teilnehmen?
Messer: Ich bin von dem geplanten Format zum jetzigen Zeitpunkt überzeugt. Ich bin ebenfalls davon überzeugt, dass wir in Europa im Vergleich zu allen anderen Regionen weltweit das beste Druckguss-Gießereinetzwerk haben. Im Ergebnis sind Zeitpunkt, Format und Teilnehmer für mich der Garant für eine erfolgreiche Veranstaltung mit einem hohen Wert für die teilnehmenden Personen beziehungsweise die von ihnen vertretenen Unternehmen.
Boss: Ich möchte das von Herrn Messer Gesagte nicht wiederholen, gerne aber folgende Punkte ergänzen: Jeder, der teilnimmt, profitiert vom Austausch mit anderen Entscheidern aus der Druckguss-Wertschöpfungskette. Das ist unglaublich wertvoll in einer Zeit, in der sich so schnell so viel verändert. Der Diskurs über Zukunftsszenarien und die Reaktionen auf diese sind so wichtig wie noch nie, um die Branche und das eigene Unternehmen strategisch vorzubereiten. Und dieser Diskurs wird nie enden. Darauf stellen wir uns ein und genau das ist der Grund, wieso das Format und die Teilnahme daran so wichtig sind.
Herr Boss, Herr Messer, herzlichen Dank für das Gespräch.
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