Mehr als 250 Teilnehmer folgten in diesem Jahr der Einladung nach Freiberg. Neben neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen und technischen Entwicklungen standen auch die enormen Herausforderungen der Branche in puncto Nachhaltigkeit, Energieversorgung im Fokus der Diskussionen.
VON MONIKA WIRTH
Mit einem Überblick über Neuigkeiten aus dem Freiberger Gießerei-Institut begrüßte Institutsleiter Gotthart Wolf seine Gäste. Die im vergangenen Jahr eingeweihte Sandrecycling-Anlage ist gut ausgelastet und aktuell befindet sich eine neue Halle im Bau, in der ab Frühjahr 2024 alle Aktivitäten rund um das CO2-freie Schmelzen stattfinden sollen, insbesondere ermöglicht der neue Platz einen Upscale der Forschungsanlagen. Wolf wird Ende des kommenden Jahres in den Ruhestand gehen, sein Nachfolger wird Professor Michal Szucki, der derzeit eine Tenure-Track-Professur am Institut innehat. Besorgt zeigte sich Wolf über die sinkende Zahl an Studienanfängern, der englischsprachige Masterstudiengang allerdings, sei gut besucht. Das Institut hat einen Werbekoffer zusammengestellt, der von Unternehmen, etwa für Schülertage angefordert werden kann.
Zukunft der Gießerei-Branche
In seinem Grußwort betonte BDG-Präsident Clemens Küpper die wichtige Aufgabe der Forschung, mit dem Anwenden ihres Wissens Probleme zu lösen. Es läge in der Verantwortung der Politik, dieses Potenzial zu nutzen und so mit Intelligenz Verantwortung zu übernehmen. Er bedauerte, dass sich politische Entscheidungsträger zu wenig von Technikinstituten beraten lassen. Auch die Unternehmen, die die Wirtschaft in Deutschland hauptsächlich tragen, nämlich die KMUs, werden kaum gefragt. Aber mit den Aktionen der letzten Monate, etwa dem gemeinsamen Aktionstag mit der IG Metall bei der Gießerei Baumgarte, wird die Branche sichtbar. Er stellte die Wichtigkeit des Verbandes heraus, der Sprachrohr der Branche ist: „Wir sind der Schlüssel zur Energiewende, wir tun Gutes und müssen drüber reden“, dem schloss sich auch Christiane Heunisch-Grotz an, die vom Kundentag der Gießerei HEUNISCH GmbH berichtete und die Frage in den Raum stellte: „Will man in Deutschland eigentlich noch energieintensive Betriebe?“ (s. Extrakasten).
Gusseisenforschung
Gusseisen mit Kugelgrafi t (GJS) hat einhohes technisches Potenzial und wird in vielen sicherheitsrelevanten Bauteilen, etwa in Rotornaben von Windturbinen eingesetzt. Ein weitestgehend fehlerfreies Gefüge ist hier sehr wichtig. Wolfram Baer von der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) zeigte die Gefahren der Entartung der Grafitkugeln im GJS zu dem sogenannten Chunky-Grafit, der Festigkeit und Duktilität herabsetzt. Aktuell ist eine sichere zerstörungsfreie Detektion noch schwierig, weshalb auf Bruchanalysen am Rasterelektronenmikroskop zurückgegriffen wird. Christoph Bleicher stellte verschiedene Methoden der Beurteilung der Zuverlässigkeit von Eisengussbauteilen vor, die am Fraunhofer LBF entwickelt werden. Ziel ist es, eine hinreichende Bauteilbeanspruchbarkeit, auch bei lokal vorliegenden Kerben oder Ungänzen, sicherzustellen und bei möglichst geringen Sicherheitsbeiwerten ein Optimum an Leichtbau sowie ein Minimum an Ausschuss erzielen. Das Erstellen virtueller Grenzmuster und die statistische Absicherung sind wichtige Bestandteile zur Beurteilung der Übertragbarkeit von der Probe auf das Gussteil. Torsten Moczigemba vom sächsischen Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie berichtete über ein gemeinsames Forschungsprojekt mit dem Gießerei-Institut Freiberg zu Geruchsbelästigung und Emissionen im Bereich von Eisengießereien, das als Grundlage für Genehmigungsverfahren dienen soll. Im Anschluss folgte eine rege Diskussion über verschiedene praktizierte Maßnahmen. Hierbei wurden die Vorzüge des BREF aufgeführt, die Vorgaben zur „Best Practice“ macht.
Prozesse optimieren
Beim Einsatz von Recyclingmaterial im Gusseisenschmelzen wird unter anderem auch Stahlschrott eingeschmolzen, der häufig Bor enthält. Cathrine Hartung, Elkem Silikon Products, referierte über den Einfluss des Bors auf die Carbid- und Ferritbildung. Beim Recyceln von Aluminiumschrotten sind es vor allem Eisenphasen, die die Qualität stören. Wie man diese entfernen und so den Sekundäranteil in Legierungen erhöhen kann, erforscht Michal Szucki, designierter Nachfolger von Institutsleiter Wolf.
Kerne und Formen werden immer häufiger additiv gefertigt. Warum nicht auch Modelle in Sand drucken, anstatt sie aus dem Vollen zu drehen, fragten sich die Ingenieure von Salewatec GbR. Bisher konnten gute Ergebnisse verbucht werden und die Modelle eignen sich bereits für Kleinserienfertigungen, Optimierungsbedarf besteht noch bei der Durchhärtung. Eine Ausweitung des Einsatzes auf andere Modellbaubereiche ist geplant. Mit welchen Maßnahmen Werkzeuge bei der Kernherstellung länger halten und dadurch Ressourcen geschont werden, erklärte Thoms Aschenbach, Krämer und Grebe GmbH & Co KG. Schlüssel dazu sind eine Verkürzung der Aushärtezeit um 30 % sowie digitale Verschleißanalysen. Am Gießerei-Institut der TU München werden Spannungen in Gussbauteilen in situ über eingegossene glasfaser-optische Sensoren gemessen. Hierdurch können die Belastungen eines Bauteils, z. B. eines Zylinderkopfes, von der Erstarrung an bis zum Versagen aufgezeichnet werden, so Wolfram Volk. Aber auch zur Grundlagenforschung sind diese Sensoren nützlich. Beispielsweise kann das Erstarrungsverhalten einer Legierung genauestens untersucht werden. Zur Kalibrierung der Sensoren konnte Doktorand Constantin Braun sogar ein Experiment bei einem Parabelflug der DFG unter quasi schwerelosen Bedingungen durchführen.
Aus der Freiberger Forschung
Abschluss der Veranstaltung bildeten Forschungsberichte Freiberger Gießereitechnik-Doktoranden. Florian Mrugalla untersucht die Kornfeinung von Stahl zur Verbesserung der Korrosions-, Oberflächen und mechanischen Eigenschaften. Dabei erscheint das späte Einbringen von Cer vielversprechend. Lukas Mastaler beschäftigt sich mit den Technologien zum CO2-freien Schmelzen: beim Ultra High Temperature (UHT) Thermo-Jet wird ein Heißgasstrom, aktuell regelbar von 20 bis 1200 °C, mittels einer elektrisch induktiv beheizen Anlage erzeugt. Idee dabei ist es, in den bestehenden Herd-Schmelzöfen lediglich den Brenner auszutauschen und nicht den ganzen Ofen ersetzen zu müssen. Mengmeng Zhang forscht an einer genauen fotometrischen Methode zur Bestimmung des Bentonitgehaltes in Grünsand-Regeneraten. Beste Ergebnisse ergaben das sparsame Dosieren des Kontrastmittels Methylenblau. Inspiriert von der Bahntechnik, entwickelt Eric Schramm Leichtbaubremsscheiben aus partikelverstärkten Aluminiumlegierungen für den Automobilbereich, insbesondere die E-Mobilität. Dabei kommt das Kipp-Kokillenverfahren zum Einsatz, wodurch eine schnelle und homogene Abkühlung der Schmelze gewährleistet wird.
Ein nachdenklicher Gastauftritt
Will man in Deutschland eigentlich noch energieintensive Betriebe? Das ist aktuell die Gretchenfrage für Christiane Heunisch-Grotz. Und für die Geschäftsführerin der Gießerei Heunisch GmbH war es auch das Thema ihres Auftrittes in Freiberg – angesichts der politischen Rahmenbedingungen. Mit diesem Meta-Thema war Heunisch-Grotz auch in den Kundentag gegangen, den die Gießerei am Standort Bad Windsheim durchgeführt hatte, unter anderem mit dem BDG-Referenten Christian Schimansky, der seine Expertise zum Thema Energie in die Runde geworfen hatte.
In Freiberg erinnerte Heunisch-Grotz an wichtige Fakten: Zwar macht die Gießerei-Industrie nur 1 % der Wertschöpfung in Deutschland aus, aber ihre Produkte stecken in 99 % der produzierenden Maschinen, auch in den Anlagen der regenerativen Stromerzeugung. Will man darauf wirklich verzichten? Offensichtlich schon, vermutet die Unternehmerin – zumindest kommt es ihr so vor angesichts der enormen ökonomischen und ökologischen Herausforderungen und vor allem politischen Forderungen. Hat man das eine erledigt, kommt das nächste dazu, so die Geschäftsführerin. Natürlich nehme man das Thema Nachhaltigkeit bei Heunisch äußerst ernst und sei die erste Gießerei deutschlandweit, die einen Nachhaltigkeitsbericht veröffentlicht hat. Aber die Vorgaben hierfür seien so umfangreich, dass es zusätzliche Personalkapazitäten erfordert. Auch an der Umsetzung des Lieferkettengesetzes wird gearbeitet.
Eine neue Altsanddeponie wurde jüngst nach jahrelanger Planung und Genehmigungsverfahren eröffnet. Dies schien nicht nur finanziell ein hohes Investment, sondern auch nervlich. Die behördliche Komplexität schien nicht selten die technische zu übersteigen. Die enorme Bürokratie hinter jedem Gesetz in Deutschland scheint mittlerweile ein Hemmnis der Innovationskraft und Produktivität des deutschen Mittelstands zu sein. Glaubt man Heunisch-Grotz, gehört auch eine Menge Idealismus dazu, trotzdem weiterzumachen.
Die größte Sorge bereitet dem Unternehmen die Wettbewerbsfähigkeit. Die Klimastrategie der Bundesregierung erwartet die Abkehr von fossilen Brennstoff en hin zu grünem Strom. Soweit das bei den Prozessen in einer Eisengießerei technisch möglich ist, möchte man dem natürlich nachkommen, aber der deutsche Strompreis ist der zweitteuerste der Welt. Wie soll man da wettbewerbsfähig produzieren? Wenn die Politik nur fordert, ohne zu unterstützen, ist das entweder dumm oder man kann nur vermuten, nicht mehr gewollt zu sein. Trotzdem, Heunisch will nicht aufgeben und Teil der Transformation sein.
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