Das österreichische Gießerei-Institut (ÖGI) ist unter neuer Führung: Christa Zengerer folgte zu Jahresbeginn auf Gerhard Schindelbacher, der auf der 65. Österreichischen Gießereitagung endgültig verabschiedet wurde. Zengerer ist Diplom-Ingenieurin und studierte Werkstoffwissenschaftlerin an der Montanuni Leoben. Im Gespräch mit der österreichischen Gießerei-Rundschau spricht sie über ihre Führungskultur und die Zukunftsperspektive für das ÖGI in herausfordernden Zeiten.
Wie waren die ersten Monate für Sie?
Die erste Zeit in meiner neuen Position war sehr interessant, lehrreich und spannend. Ich habe mich zunächst mit der Unternehmensstruktur, den verschiedenen Abteilungen und den Mitarbeitern vertraut gemacht. Mir ist es sehr wichtig, die Menschen kennenzulernen, die im Institut arbeiten, um einen Überblick zu gewinnen, wie die verschiedenen Abteilungen miteinander verbunden sind. Ich habe auch schon einige Mitgliedsfirmen des Österreichischen Gießerei-Instituts besucht, um Einblicke in die unterschiedlichen Unternehmen und ihre spezifischen Herstellungsprozesse zu erhalten. Auf diese Weise möchte ich einen umfassenden Einblick in die Branche erhalten und dabei gleichzeitig einen Eindruck davon bekommen, wie die Gießereien in Österreich organisiert sind, welche speziellen Anforderungen sie erfüllen müssen und wie sie das ÖGI dabei bestmöglich unterstützen kann.
Der Posten als Geschäftsführerin gehört zu den arbeitsintensivsten am ÖGI. Was genau sind Ihre Aufgaben?
Wie in allen Unternehmen bestehen auch beim ÖGI die Aufgaben der Geschäftsführung darin, die strategische Ausrichtung des Instituts in enger Abstimmung mit dem Vorstand vorzugeben und diese durch entsprechende Gestaltung der internen Prozesse umzusetzen. In meiner Rolle als Geschäftsführerin sehe ich meine Hauptaufgabe darin, alle Mitarbeiter bestmöglich zu unterstützen und zu bestärken, aber auch die Verbindungen und Vernetzung zu Wissenschaft und Industrie weiter auszubauen. Sowohl interne als auch externe Schnittstellen zu managen und Entscheidungen rasch und unkompliziert zu treffen, sind ebenfalls wichtige Aufgaben einer Geschäftsführung.
Das Institut wird als Verein geführt, fördert allgemein die Forschung, Entwicklung und Innovation sowie Lehre auf dem Gebiet der praktischen Gießerei- und Materialforschung. Welche Herausforderungen sehen Sie und wo liegt Ihr Fokus?
Wie die meisten Branchen und Unternehmen ist auch das ÖGI mit den Herausforderungen und Krisen dieser Zeit konfrontiert. Als Geschäftsführerin ist es meine Aufgabe, diese Krisen und Herausforderungen gemeinsam mit dem Team zu meistern. Unser Fokus liegt auf den Fragestellungen der Gießerei-Industrie und der metallverarbeitenden Industrie, insbesondere auf der Entwicklung neuer Materialien und Technologien, die diese Branchen voranbringen. Wir arbeiten sehr eng mit den Unternehmen der Branche zusammen, um sicherzustellen, dass die Entwicklungen, die wir vornehmen, die Bedürfnisse der Gießerei-Industrie erfüllen. Unser Fokus liegt auch darauf, die Wettbewerbsfähigkeit des Gießereisektors durch die Entwicklung einer breiten Palette von Technologien und Dienstleistungen zu verbessern.
Wie schafft man es, in der Forschung und Entwicklung neu zu denken?
Voraussetzung dafür sind flexible und gut ausgebildete Mitarbeiter sowie die vorausschauende Bearbeitung der richtigen Themen. In unserer schnelllebigen Zeit muss Know-how durch gezielte Aus- und Weiterbildung weiterentwickelt werden. Zusätzlich muss bestehendes Know-how durch gezieltes Wissensmanagement erhalten bleiben. In Forschung und Entwicklung sind Kooperationen unverzichtbar. Das ÖGI ist sowohl mit der Wissenschaft (Universitäten und Fachhochschulen) als auch mit der Industrie sehr gut vernetzt. Durch diese zahlreichen Kooperationen und Projekte mit den unterschiedlichsten Partnern wird das „Neu denken“ immer wieder gefordert und gefördert.
Welchen Beitrag leistet das Institut für die Industrie?
Forschung, Technologie und Innovation sind Garanten unseres Wohlstands. Österreichs Unternehmen, Universitäten und Forschungseinrichtungen sind dabei die tragenden Säulen des Innovationssystems. Als branchenorientiertes Institut ist es wichtig, die Gießerei-Industrie in ihren Kernkompetenzen bei den verschiedenen Gießprozessen und den umfangreichen Gusslegierungen optimal zu unterstützen. Im Sinne der Nachhaltigkeit wird dabei der Gesamtprozess vom Rohstoff- und Energieeinsatz über die Gussteilherstellung und dem Gebrauch bis hin zum Recycling betrachtet und optimiert. Zudem bedarf es für die Branche auch Unterstützung bei aktuell anstehenden Themen wie Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz. Beides Themen, die aufgrund des komplexen Herstellprozesses und den vielen voneinander abhängigen Einflussparametern gerade in Gießereien von großer Bedeutung sind. Das ÖGI wickelt dazu Projekte in enger Zusammenarbeit mit kleinen und großen Unternehmen der Wirtschaft ab. Häufig fungieren wir dabei für unsere Kunden als externe Forschungs- und Entwicklungsabteilung. Gemeinsam mit unseren Kunden können wir so aktiv die Gießereibranche mitgestalten und weiterentwickeln. Eine wichtige Rolle spielt das Institut bei der Ausbildung von Fachkräften. Dazu wird ein umfangreiches Schulungsangebot sowohl für Gießer als auch für Gussanwender angeboten.
Nehmen wir Bezug auf die aktuelle Lage nach zwei Corona-Jahren. Welche Entwicklungsmöglichkeiten sehen Sie für die kommenden Jahre?
Die letzten zwei Jahre waren eine Herausforderung für uns alle. Die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie waren enorm. Wir mussten uns an neue Wege des Zusammenlebens und Arbeitens gewöhnen und es gab massive Einschränkungen in unseren persönlichen Freiheiten. Doch trotz allem haben wir als Gesellschaft viel dazugelernt. Wir haben gelernt, uns an neue Realitäten anzupassen und uns auf Situationen einzustellen, die für uns zu Beginn der Pandemie kaum vorstellbar waren. Wir haben gelernt zusammenzuarbeiten, um die Auswirkungen der Krise einzudämmen. Einhergehend mit Corona haben auch verstärkt Online-Meetings und Homeoffice-Regelungen Einzug gehalten, wodurch sich auch der Arbeitsalltag und die Zusammenarbeit geändert haben.
Wie sehen Ihre Ziele aus?
Das ÖGI weiterhin so erfolgreich zu führen, wie das auch mein Vorgänger gemacht hat und das ÖGI so zu positionieren, dass es die Gießerei-Industrie und die metallverarbeitende Industrie bei bestehenden und künftigen Herausforderungen bestmöglich unterstützen kann. Ein weiteres Ziel ist es, den Bekanntheitsgrad des ÖGI, ob seines hervorragenden Dienstleistungsangebotes in F&E, Materialprüfung und Werkstoffcharakterisierung sowie den Untersuchungsmöglichkeiten auch außerhalb des derzeitigen Kundenkreises zu erhöhen.
Welchen Führungs- und Kommunikationsstil bevorzugen Sie?
Zum Führungsstil gehören für mich ein kooperatives Miteinander und gegenseitiges Vertrauen. Dazu gehört auch eine offene und höfliche Kommunikation, die auf die jeweiligen Situationen und Bedürfnisse der Mitarbeiter abgestimmt ist. Kommunikation muss für mich immer auf Augenhöhe stattfinden, unabhängig von unternehmerischen Hierarchien.
Was machen für Sie besonders gute Mitarbeiter aus?
Loyalität, Ehrlichkeit und Engagement sind sicher wesentliche Eigenschaften, die gute Mitarbeiter ausmachen. In einem Forschungsinstitut sind aber auch Ideen, Eigeninitiative und Neugierde für den Erfolg wichtige Faktoren. Dazu kommt Flexibilität bei der Arbeit und ein integrer und guter Ton sowohl bei der internen Kommunikation als auch im Umgang mit Kunden. Egoismus hat in einem kleinen Team keinen Platz, denn nur gemeinsam werden wir erfolgreich sein und Veränderungen sowie Herausforderungen meistern. Daher ist gegenseitige Unterstützung wichtig, WIR kommt vor dem ICH.
Was ist Ihre Zukunftsvision für die Gießerei-Industrie?
Die Gießerei ist eine klassische Zulieferindustrie, d. h. es werden keine fertigen Produkte, mit Ausnahmen wie Walzen, Rohre oder Fittings erzeugt, Gussteile werden zumeist in Endprodukten verbaut. Damit besteht aber auch eine große Abhängigkeit von den Kunden und Märkten. Da Gussteile in beinahe allen Dingen des täglichen Lebens, die unseren Wohlstand ausmachen, verbaut sind, werden Gussteile auch in Zukunft gebraucht, wenn wir uns den Wohlstand erhalten wollen. Damit hat auch die Gießerei-Industrie Zukunft, auch wenn sie vor extrem großen Herausforderungen und einem damit einhergehenden Veränderungsprozess steht.
Das Interview wurde von der Gießerei Rundschau zur Verfügung gestellt.
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