Europa will mithilfe des European Green Deal bis 2050 der erste klimaneutrale Kontinent werden. Ein großer Meilenstein ist die Reduzierung des CO2-Ausstoßes bereits bis 2030 um 55 Prozent im Vergleich zu 1990. Dies trifft vor allem energieintensive Branchen, die neben steigenden Energiepreisen nun auch noch Kosten für den CO2-Ausstoß tragen müssen. Die Firma STIHL Magnesium-Druckguss spart mit einem Wärmerückgewinnungssystem 85 % CO2 gegenüber einer herkömmlichen Hallenheizung ein.
VON LENA ARENZ, KÖNIGSWINTER
Magnesium gilt heute als der Konstruktionswerkstoff des 21. Jahrhunderts. Leichtigkeit, hervorragende Gießeigenschaften und Bearbeitungsfreundlichkeit zeichnen das Leichtmetall aus. Daneben ist Magnesium im Vergleich zu anderen Werkstoffen fast unbegrenzt recyclingfähig. Die Firma STIHL gründete bereits 1971 ein Magnesium-Druckgusswerk in Weinsheim. Mit einer Gießkapazität von ca. 6000 Tonnen pro Jahr gilt das Werk heute als eines der größten und modernsten Magnesium-Druckgusswerke Europas. In der vollautomatisierten Fertigung kommen über 20 Druckgießmaschinen der Warm- und Kaltkammertechnologie mit Schließkräften von bis zu 1000 Tonnen zum Einsatz. 790 Mitarbeiter produzieren jährlich über 26 Mio. Bauteile für Motorsägen und andere Motorgeräte des Mutterkonzerns, aber auch für externe Kunden.
Fokus auf Nachhaltigkeit
Das Unternehmen verpflichtet sich zu Umweltschutz und Energieeffizienz auf hohem Niveau und deren kontinuierlichen Verbesserung, sowohl in den Unternehmensprozessen als auch bei den Produkten. Entsprechend dieser Grundsätze wurde bei der Wahl eines neuen Abluftfiltersystems großer Wert auf die Öko-Effizienz gelegt.
Daneben sind die klimatischen Rahmenbedingungen in die Auslegung der Ablufttechnik mit eingeflossen. Im rheinland-pfälzischen Weinsheim bewegt sich das Thermometer in den Wintermonaten um die Null-Grad-Marke. Daher legte STIHL bei der Projektvergabe nicht nur Wert auf eine verlässliche Abluftreinigung, sondern gleichzeitig auf eine hocheffiziente Wärmerückgewinnung. 2015 wurde durch die KMA Umwelttechnik GmbH ein einzigartiges Wärmerückgewinnungssystem installiert (Bild 1), das die komplette Druckgießerei ohne Zuführen konventioneller Energieträger wie Strom oder Gas in den Wintermonaten auf konstante 18 °C heizt. Das mehrstufigen Wärmerückgewinnungssystem basiert auf zwei Hydraulik-Kreisläufen, in welchen stündlich 45,6 m³ bzw. 22,8 m³ Etylenglycol als Trägermedium zirkulieren.
Mehrstufige Rückgewinnung wertvoller Prozessabwärme
Auf dem Hallendach der Druckgießerei sind zwölf Abluftfiltersysteme mit einer Gesamtkapazität von 236.000 m³/h in einem Wetterschutzgehäuse installiert. Neben den Filterelementen (Bild 2) verfügen die Anlagen über Abluft-Wärmetauscher, sodass die in der Abluft enthaltene Wärme zurückgewonnen werden kann. Die ölrauchbelastete Abluft aus der Produktion wird unter der Hallendecke über Ventilatoren angesaugt und strömt zunächst durch die Abluftfilter. Nachgeschaltet befinden sich die Wärmetauschereinheiten. Da die Abluft auch im Winter eine Temperatur von mindestens 29 °C aufweist, verfügt sie über wertvolle thermische Energie, die in der kalten Jahreszeit im Wärmetauscher mittels hydraulischem Trägermedium entzogen wird. Jeder Wärmetauscher hat eine Leistung von max. 112,5 kW/h.
Der Wärmeträger-Kreislauf führt in den Keller unterhalb der Gießereihalle. Hier befindet sich die zentrale Zuluftanlage zur Frischluftversorgung. Ventilatoren saugen Frischluft von außen an. Über einen ersten Wärmetauscher (Bild 3) wird die aus der Abluft gewonnene Energie mittels Kreislaufverbundsystem auf die Zuluft übertragen, die auf diese Weise selbst an kalten Wintertagen auf mindestens 11 °C erwärmt werden kann. Um die Zuluft auf die erforderliche Einblastemperatur von 18 °C zu bringen, verfügt die Anlage über eine zweite Wärmetauscherstufe (Bild 4). Die Energieversorgung erfolgt hier über die Einbindung in den Kühlwasserkreislauf der Gießmaschinen. Das Kühlwasser wird normalerweise über einen Kühlturm abgeführt. In der kalten Jahreszeit stellt es mit ca. 30 °C ein ideales Trägermedium für die zweite Wärmetauscherstufe dar und erwärmt die Hallenluft so auf die erforderlichen 18 °C. Über Lüftungsschlitze im Hallenboden werden stündlich 236.000 m³ erwärmte Frischluft in die Halle geleitet.
Produktionsunabhängiges Wärmesystem
Parallel erwärmt ein weiteres, in sich geschlossenes System zusätzliche 120.000 m³ Frischluft. Vier der zwölf Filtersysteme auf dem Dach sind nicht an den großen Hydraulik-Kreislauf angeschlossen, sondern bilden ein eigenes System, um auch bei Produktionsstillstand, wie zum Beispiel in Ferienzeiten, die Halle vor Frost zu schützen.
Auch hier wird die von außen zuströmende Luft zunächst auf ca. 11 °C erwärmt, doch der zweite Wärmetauscher unterscheidet sich von dem des größeren Systems. Er läuft nicht ausschließlich über erwärmtes Kühlwasser, sondern kann auch mit konventionell erwärmtem Wasser betrieben werden.
Ökonomie und Ökologie: kein Widerspruch
Die Gießerei wird an fünf Arbeitstagen pro Woche mit einer täglichen Betriebsdauer von 24 Stunden betrieben. Die Heizperiode in den Wintermonaten beträgt im Durchschnitt 12 Wochen, womit der Rechnung 1440 Stunden zugrunde gelegt wurden. Durch die hohe Rauchbelastung findet in der Gießerei ein 13-facher stündlicher Luftwechsel statt. Das entspricht einer Luftförderung von 360.000 m³. Bei Einsatz einer herkömmlichen gasbetriebenen Hallenheizung würden die Heizkosten für diese 12 Wochen rund 36.000 € betragen. Im Gegensatz dazu liegen die Betriebskosten des KMA-Ultravent-Filter- und Wärmerückgewinnungssystems bei nur ca. 5900 €. Diese setzen sich zusammen aus dem elektrischen Energieverbrauch für Ventilatoren, Pumpen und Reinigungssystem. Das KMA-System spart damit im Vergleich fast 84 Prozent der jährlichen Heizkosten ein. Gleichzeitig profitiert die Umwelt von reiner Luft, da die öligen Rauch- und Aerosolsubstanzen herausgefiltert werden.
Noch eindrucksvoller aber ist der Öko-Effekt der bei STIHL eingesetzten Wärmerückgewinnung. Während eine konventionelle Heizung unter den genannten Einsatzbedingungen zu einer jährlichen CO2-Belastung von etwa 363 Tonnen führen würde, liegt der Carbon-Footprint unter Verwendung eines KMA-Filtersystems bei nur 55 Tonnen, das bedeutet 85 Prozent weniger CO2-Ausstoß. Und die Einführung einer CO2-Steuer wird diese Schere noch weiter öffnen, denn seit 2021 sind 25 Euro pro Tonne CO2 fällig, die sukzessive steigt und 2025 schon bei 55 Euro liegen wird.
Zusammenfassung
Die nachhaltige Behandlung von Produktionsabluft ist eine große Herausforderung für alle Akteure der Druckguss-Industrie. Das breite Spektrum an kundenspezifischen Parametern und lokalen Gegebenheiten führt zu maßgeschneiderten Lösungen, die Gießereien weltweit einen hohen Umweltstandard ermöglichen. Die Firma KMA bietet seinen Kunden ein energieoptimiertes Filtersystem, zugeschnitten auf die individuellen Belange der Gießerei und auf lokale Rahmenbedingungen. Das von KMA entwickelte Ultravent-System beinhaltet alle Bausteine zur Abluftreinigung und Wärmerückgewinnung. Es verbindet Umwelt- und Klimaschutz mit handfesten Betriebskostenvorteilen für die Gießerei. Das Beispiel der bei der Firma STIHL betriebenen Anlage zeigt, dass führende Druckgusshersteller Maßnahmen ergriffen haben, um eine nachhaltige Abluftreinigung an allen ihren Produktionsstandorten zu gewährleisten.
Schlagworte
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