Lesen Sie einen Auszug aus dem Interview mit Max Schumacher, aus der GIESSEREI 03/2023.
Wo steht Deutschlands Gießerei-Industrie? Welche gesellschaftlichen und wirtschaftspolitischen Linien lassen sich aktuell ausmachen? Das weiß Max Schumacher, für den das laufende Jahr 2023 in gleich drei Jubiläen kulminiert: Der Jurist und Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Gießerei-Industrie begann 1993 im Verband, blickt somit auf 30 Berufsjahre zurück, ist seit 25 Jahren Mitglied im Verein Deutscher Gießereifachleute (VDG) – und wird im März 60 Jahre alt. Was hat sich verändert? Welche Themen fordern heute Verband und industriellen Mittelstand heraus? Was können Deutschlands Gießereien besonders gut leisten – und was nicht? Antworten dazu im nachfolgenden Gespräch.
Herr Schumacher, beginnen wir mit dem jüngsten Jubiläum. 1998 sind Sie in den Verein Deutscher Gießereifachleute, den VDG, eingetreten – als Jurist.
Ja, als Jurist. Das war schon ein bisschen besonders. Und der VDG ist ja ein durchaus stolzer Verein. Ich habe seinerzeit noch Paten gebraucht, um aufgenommen zu werden. Heute ist das ein bisschen entspannter, wenngleich sich unsere Branche zu Recht den stolzen Nimbus des Besonderen bewahrt hat.
Wie erleben Sie die Mitgliedschaft?
Ich glaube, dass es von großer Bedeutung ist, dass wir einen Verein wie den VDG haben, der auch die emotionale Bindung zu diesem innovativen Verfahren in Netzwerken deutlich macht. Deswegen freue ich mich, denn hier können wertvolle persönliche Kontakte geknüpft werden. Das verbindet persönlich, das verbindet aber auch in besonderer Weise mit der Branche. Ich möchte das mit einem Aufruf an die nachrückenden Generationen verbinden, die Vorteile zu nutzen, die dieses einzigartige Netzwerk bietet.
Apropos Branche – fünf Jahre zuvor sind Sie in die Branche eingestiegen. Was waren in dieser Zeit Ihrer beruflichen Anfänge die Themen?
Ich bin seit Juni 1993 in den Gießereiverbänden tätig. Seinerzeit eingestiegen bin ich mit Umweltmanagementsystemen, das war damals überhaupt neu und geradezu revolutionär.
Inwiefern? Wie müssen wir uns die damalige Zeit vorstellen?
Umweltschutz war 1993 noch eine recht junge Disziplin. Die TA Luft gab es zwar bereits seit 1964, aber erst die Novelle von 1986 war ein Meilenstein des Umweltschutzes und das Thema Luftreinhaltung kam seinerzeit so richtig mit Wucht auf die Agenda. Seinerzeit wurde in Deutschland ja auch flächendeckend die Katalysator-Technik für Autos eingeführt. 1994 wurde Umweltschutz als Staatsziel in das Grundgesetz aufgenommen. Aber zurück zur TA Luft: Es bedeutete für die Jahre danach natürlich eine lange, auch unsichere Umsetzungsphase. Vieles war seinerzeit – was das Umweltrecht anbelangt – Anfang der 90er-Jahre noch nicht in der Branche umgesetzt. Es war in gewisser Weise eine Pionierzeit. Ich sehe da übrigens auch durchaus Parallelen zwischen der damaligen Situation im Umweltschutz und der heutigen Situation im Klimaschutz.
Das ist Ihre Wahrnehmung?
Wir sind sicher auch schon ein Stückchen weiter – da hat auch die Diskussion um den Umweltschutz dem Klimaschutz den Boden bereitet. Aber vieles ist tatsächlich ähnlich zu sehen, zum einen, weil wir wieder eine globale Führungsposition einnehmen, zum anderen, weil seinerzeit nicht nur die gesetzlichen Vorgaben umgesetzt werden mussten, sondern auch über Umweltmanagementsysteme die ersten Audits in diesem Bereich durch Kunden bei den Gießereien durchgeführt worden sind. Das ist eine parallele Situation zu heute. Wir haben Vorgaben des Gesetzgebers, die ergänzt werden durch Anforderungen der Kunden. Beides haben wir seinerzeit durch Umweltmanagementsysteme unterstützt und tun es heute durch ein Tool wie FRED unser Kalkulationstool zur Ermittlung des CO2-Fußabdrucks.
Was machen solche Systeme oder Tools?
Sie machen die extrem komplexen Anforderungen handhabbar. Der Verband erfüllt hier seine Aufgabe als Dienstleister für die Branche. Wir machen abstrakte Fragestellungen für die betriebliche Praxis durchführbar.
Da sind wir im Bereich der sehr konkreten Hilfestellung als Reaktion auf politisch beschlossene Vorgaben. Und was passiert davor?
In der Tat ist das die andere Seite unserer Leistung als Verband für die Branche. Vorgelagert ist der politische Raum, in dem überhaupt erst Vorgaben beschlossen werden. Und da sind wir der politische Interessenvertreter, der sich dafür einsetzt, dass die Anforderungen mittelstandsgerecht umgesetzt werden können.
Wenn Sie Ihre drei Jahrzehnte im Verband Revue passieren lassen – was hat sich geändert in dieser Zeit?
Ich fange gerne mit den Anforderungen an die Unternehmen an, die unsere Mitglieder sind. Für die Unternehmen hat sich Grundlegendes geändert in diesen Jahrzehnten. Umweltschutz, Arbeitsschutz und Klimaschutz sind selbstverständlich geworden. Das ist gut, hat aber auch organisatorische Folgen. Viele Stabsstellen, die heute in den Betrieben aufgebaut sind, gab es früher überhaupt nicht. Daran hat man sich erst gewöhnen müssen, das kam peu à peu und ist immer mehr geworden. Jetzt haben wir Stabsstellen für Umweltschutz, Betriebssicherheit, Datenschutz. Oft übrigens mit einem Profil, für das unsere Betriebe dann eher einen Wirtschaftsinformatiker als einen Gießerei-Ingenieur einstellen. Das hat natürlich Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit – denn es sind unproduktive Mitarbeiter im Sinne des Unternehmensziels, mit gegossenen Teilen Geld zu verdienen. Die Stellen, meistens hoch qualifiziert, sind absolut notwendig – aber ein Beitrag zur Produktivität wird dort eben nicht geleistet.
Das gesamte Interview lesen Sie in der Ausgabe 03-2023 ab Seite 16 ff.
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