Auf breite Enttäuschung des energieintensiven Mittelstandes ist die Entscheidung der Ampelkoalition gestoßen, in der Klausur in Meseberg das Thema Strompreis nicht anzugehen. BDG- Hauptgeschäftsführer Max Schumacher bewertet die Klausur als „vertane Chance“.
Während die Ampelkoalition offenbar uneinig bleibt und das wichtige Thema Industrie- oder Brückenstrompreis erst gar nicht angepackt hat, sind sich die energieintensiven Branchen in der Bewertung vollkommen einig. Ob Bundesverband der Deutschen Gießerei-Industrie, Wirtschaftsvereinigung Metalle oder Bündnis faire Energiewende (BFE), in der der BDG Mitglied ist – der energieintensive industrielle Mittelstand reagiert enttäuscht und entsetzt auf die Ergebnisse von Meseberg. So sind aus Sicht der im BFE organisierten mittelständischen Industriebranchen die in Meseberg beschlossenen Wirtschaftsimpulse zwar richtig, reichen aber bei Weitem nicht aus.
„Die Ampelkoalition hat bei ihrer Kabinettsklausur in Meseberg die Chance vertan, das Hauptproblem der teuren Energiekosten für die Industrie anzugehen“, kritisiert Max Schumacher, Sprecher des Branchenbündnisses und Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Gießerei-Industrie.
Das Prinzip Hoffnung, auf das der Bundeskanzler bei den Energiepreisen setze, werde dem Ernst der Lage in der mittelständischen Industrie nicht gerecht: „Immer mehr Unternehmen kommen in existentielle Not, weil sie mit den Rekordpreisen für Energie am Standort Deutschland nicht mehr wettbewerbsfähig sind. Das sind genau die mittelständischen Unternehmen, die wir brauchen, um die Transformation am Standort Deutschland zu stemmen und in unseren Lieferketten autark zu bleiben. Wir haben deshalb keine andere Wahl: die gesamte mittelständische Industrie braucht umgehend eine breite und schnelle Entlastung bei den Energiekosten, solange es nicht ausreichend grüne Energie zu bezahlbaren Preisen gibt“, so Schumacher.
Der BDG war bereits im Mai mit dem “Bielefelder Appell” aktiv geworden. Rund 1000 Gießer hatten bei der gemeinsam mit der IG Metall organisierten Veranstaltung für einen Industriestrompreis protestiert. „Wir brauchen noch in diesem Jahr die Entscheidung für einen Industriestrompreis. Der Industriestrompreis muss im internationalen Vergleich wettbewerbsfähig sein, er muss schnell und unbürokratisch umgesetzt werden und er muss den Unternehmen Planungssicherheit für einen längeren Zeitraum gewährleisten“, hatte im Frühjahr BDG-Präsident Clemens Küpper gefordert, sehr deutlich vor dem Hintergrund der Sorge um den Industriestandort Deutschland.
Deshalb ist Folgendes jetzt wichtig:
- Ein Brückenstrompreis muss auch für den Mittelstand schnell kommen.
- Die Strom- und Energiesteuern müssen auf die europarechtlich zulässigen Mindestsätze abgesenkt werden.
- Die Netzentgelte müssen weitgehend aus dem Bundeshaushalt finanziert werden.
- Die rein nationale CO2-Bepreisung muss ausgesetzt werden, bis der europäische Emissionshandel für alle Kleinemittenten wie geplant eingeführt ist.
Nur so können die energieintensiven mittelständischen Unternehmen weiterhin in Deutschland produzieren, für Wertschöpfung sorgen, Steuern zahlen und gute Arbeitsplätze bieten.
Mit der grundsätzlichen Einordnung von Meseberg befindet sich BDG und BFE in einmütiger Gesellschaft mit weiteren deutschen Industrieverbänden. Hier weitere Stimmen aus Verbänden und Gewerkschaften:
Franziska Erdle, Hauptgeschäftsführerin WirtschaftsVereinigung Metalle e.V.
Die Beschlüsse der Bundesregierung nach ihrer Klausurtagung in Meseberg lassen notwendige Maßnahmen zu den hohen Stromkosten vermissen. Wir appellieren daher an die Bundesregierung, dass sie das Thema Stromkosten nach Meseberg nicht ad acta legt, sondern sich intensiv weiter damit auseinandersetzt und entsprechende Maßnahmen zur Sicherstellung eines wettbewerbsfähigen Strompreises einleitet, um die Abwanderung industrieller Wertschöpfung zu verhindern.
Dr. Matthias Frederichs, Hauptgeschäftsführer Bundesverband Baustoffe – Steine und Erden e.V. (bbs)
Meseberg hätte den Weg für wettbewerbsfähige Strompreise ebnen können. Eine weitere Schwächung der energieintensiven Industrien muss dringend verhindert werden, wie die Bundesländer und Teile der Regierungsfraktionen längst erkannt haben. Jetzt gilt es, ein klares Zeichen für den Industriestandort Deutschland zu setzen – mit einem Brückenstrompreis für die energieintensive Industrie und einer Beibehaltung des Spitzenausgleichs bei der Stromsteuer. Die aktuelle Unsicherheit, mit der die Beschäftigten und Unternehmen konfrontiert sind, ist grob fahrlässig.
Dr. Johann Overath, Hauptgeschäftsführer Bundesverband Glasindustrie e.V.
Die Kabinettsklausur hat für die Glasindustrie nicht das gewünschte Ergebnis erzielt: Der für uns so wichtige Brückenstrompreis, den wir kurzfristig brauchen, um die aktuelle Krise zu bewältigen und die Transformation schnellstmöglich voranzutreiben, wurde nicht beschlossen. Dabei ist es fünf vor 12 für die energieintensiven Grundstoffindustrien in Deutschland. Langfristige Maßnahmen sind zwar grundsätzlich begrüßenswert, wir brauchen die Unterstützung aber jetzt! Ein Brückenstrompreis würde sofortige Wirkung entfalten und den Unternehmen der Glasindustrie die Entscheidung für Investitionen in eine klimaneutrale Zukunft erheblich erleichtern. Denn die Elektrifizierung von Teilprozessen bei der Glasherstellung wird eine wichtige Säule bei der Dekarbonisierung der gesamten Glasindustrie sein.
Jörg Hofmann, Erster Vorsitzender IG Metall
Die Bundesregierung hat auf ihrer Klausur alte Streitpunkte ausgeräumt und bekannte Vorhaben auf den Weg gebracht. Für neue Ideen und Impulse hat es offenbar nicht gereicht. Dringend erforderlich wäre eine Entlastung der energieintensiven Industrie durch einen Brückenstrompreis bis zum ausreichenden Ausbau regenerativer Energien. Dazu konnte sich die Bundesregierung leider noch nicht durchringen. Als IG Metall werden wir uns weiterhin für diese sinnvolle Maßnahme zielgerichteter Standort- und Beschäftigungssicherung einsetzen.
Stefan Körzell, DGB-Bundesvorstandsmitglied
Mit Blick auf die Strompreise sind die Ergebnisse von Meseberg enttäuschend. Statt entschiedene Maßnahmen auf den Weg zu bringen, agiert die Bundesregierung nur zaghaft. Die Lage ist ernst, die Zeit drängt: Wir brauchen zügig Klarheit, um industrielle Produktion im Land zu halten. Ein vergünstigter Industriestrompreis, der gute Arbeit, Wertschöpfung und Transformation fördert, muss jetzt schnell kommen. Wir brauchen ihn zur Überbrückung, bis genügend erneuerbare und kostengünstigere Energien verfügbar sind. Die Bundesregierung darf nicht weiter lavieren und das Thema aussitzen – dafür steht zu viel auf dem Spiel.
Kerstin Maria Rippel, Hauptgeschäftsführerin der Wirtschaftsvereinigung Stahl
In Meseberg wurde die Chance verpasst, ein klares Zeichen für die klimaneutrale Zukunft unserer Industrie in Deutschland zu setzen. Denn genau dazu will und kann die Stahlindustrie mit der Einsparung von 55 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr einen enormen Beitrag leisten. Damit das gelingt, müssen die Unternehmen heute in die Lage versetzt werden, im internationalen Wettbewerb bestehen zu können. Der Strompreis ist hier einer der entscheidenden Faktoren. Die Transformation in eine klimaneutrale Zukunft braucht deshalb politische Maßnahmen, die den Wettbewerbsnachteil der viel zu hohen Stromkosten abpuffern – und zwar jetzt!
Winfried Schaur, Präsident Die Papierindustrie e.V.
Die Bundesregierung hat eine wichtige Chance verpasst, der deutschen Industrie eine Wachstumsperspektive und Planungssicherheit für Investitionen zu geben. Der wichtige Brückenstrompreis wurde nicht beschlossen, die Verlängerung des Spitzenausgleichs verschoben. Das beschlossene Wachstumschancengesetz wird nicht ausreichen, um die notwendigen Transformationsimpulse zu setzen.
Markus Steilemann, Präsident Verband Chemische Industrie e.V. - VCI
Die Bundesregierung darf den Alarmruf der energieintensiven Industrie nicht länger überhören. Ein Brückenstrompreis ist nicht nur wünschenswert, er ist ein absolutes Muss in dieser Krise. Die Ampel darf nicht länger tatenlos zuschauen, wie Produktionsrückgänge und Auftragseinbußen vielen Unternehmen unserer Branche die Zuversicht rauben. Um die Deindustrialisierung zu stoppen, muss sie JETZT den Glauben an den Standort wiederherstellen. Gut klingende Langfristprogramme reichen nicht. Wir brauchen Akut-Maßnahmen.
Michael Vassiliadis, Vorsitzender IG Bergbau, Chemie, Energie
Die Bundesregierung hat mit den Beschlüssen von Meseberg erste Schritte zur Verbesserung der Standortbedingungen gemacht. Aber das letzte Wort dazu kann und darf das nicht gewesen sein. Was wir jetzt brauchen, ist ein industriepolitischer Befreiungsschlag, der uns international wieder auf Augenhöhe mit anderen Regionen bringt – und zwar schnell und nachhaltig zugleich. Dazu gehört für die energieintensiven Industrien ein Brückenstrompreis, der wie eine massive Anschubhilfe für die klimagerechte Modernisierung wirkt. Wir müssen alle Hebel in Bewegung setzen, damit die Branche jetzt in die Transformation der heimischen Standorte investiert – und nicht ins Ausland abwandert. Nur so sind der Erhalt guter Arbeitsplätze, eine sichere Versorgung anderer Industrien und Fortschritte im Klimaschutz garantiert.
Schlagworte
BrückenstrompreisEisenGussIndustriestrompreisLieferkettePlanungProduktionSicherheitStahlStahlindustrie