Forschung
Brachliegendes Potenzial: Eine Studie des KIT zeigt auf, wie die Lernfabriken an berufsbildenden Schulen besser genutzt werden können. (Foto: Gewerbliche Schule Göppingen) - © Gewerbliche Schule Göppingen
20.12.2023

Industrie 4.0: Neue Horizonte für die Qualifizierung von Fachkräften

Was können sogenannte Lernfabriken 4.0 für die Weiterbildung von Fachkräften leisten? Sehr viel – wenn Lehrkonzepte und Rahmenbedingungen stimmen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT). Berufsschulen und Unternehmen sollten weitaus enger als bisher zusammenarbeiten, so die Autorinnen und Autoren, zum Beispiel bei der Passung der Angebote und bei deren Bewerbung. Zugleich fordern sie eine verbesserte Einbindung der Weiterbildungen in den Betrieb der Berufsschulen sowie die Öffnung der Kurse für betriebliche Ausbilderinnen und Ausbilder.

Lernfabriken 4.0 gelten als Klassenzimmer der Wahl für die durchdigitalisierte, von Künstlicher Intelligenz (KI) durchzogene Produktion der nahen Zukunft. Angesiedelt in Betrieben oder Berufsschulen, bilden Lernfabriken die neuen Produktionsumgebungen anwendungsnah nach – ähnlich einem Flugsimulator in der Ausbildung von Pilotinnen und Piloten. An berufsbildenden Schulen gibt es derzeit allein in Baden-Württemberg 43 Lernfabriken. Die am Institut für Berufspädagogik und Allgemeine Pädagogik (IBAP) des KIT in Zusammenarbeit mit der Pädagogischen Hochschule Schwäbisch Gmünd und der Allianz Industrie 4.0 Baden-Württemberg entstandene, vom Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus Baden-Württemberg geförderte Studie zeigt auf, dass zwischen Anspruch und Wirklichkeit dieser Einrichtungen eine große Lücke klafft: „Die Potenziale der beruflichen Lernfabriken werden bei weitem nicht ausgeschöpft, da die förderlichen Rahmenbedingungen an Berufsschulen fehlen und diese bisher von keiner Institution bei der Umsetzung von Weiterbildungsangeboten unterstützt werden“, sagt Professor Lars Windelband, Studienleiter und Inhaber der Professur für Berufspädagogik am IBAP.

Mittels Fallstudien sowie Gesprächen und Workshops mit Fachleuten haben die Karlsruher Forscherinnen und Forscher den aktuellen Stand des Einsatzes beruflicher Lernfabriken erfasst, Hemmnisse und Herausforderungen identifiziert, aber auch Beispiele für erfolgreiche Umsetzungen analysiert. Aufbauend auf dem Befund, dass zum einen die Rahmenbedingungen an den Berufsschulen, zum anderen die Zusammenarbeit zwischen Berufsschulen und Unternehmen unzureichend sind, geben sie fünf konkrete Handlungsempfehlungen:

  • Verändern der Rahmenbedingungen an den beruflichen Schulen, um Lehrkräfte zu entlasten und Deputate für Weiterbildungen anrechenbar zu machen
  • Öffnen der Weiterbildungen für betriebliche Ausbilderinnen und Ausbilder zwecks Verzahnung von Lehrinhalten
  • mehr Vernetzung zwischen beruflichen Schulen und Unternehmen, um die Bedarfe der Unternehmen in zielgruppengerechten Angeboten abzubilden
  • zentrale oder dezentrale Plattformen für die Verbreitung von Weiterbildungsangeboten nutzen
  • Erproben alternativer Betreibermodelle zur langfristigen Unterstützung der beruflichen Lernfabriken

Zu den Gelingensbedingungen betrieblicher Weiterbildung in Lernfabriken gehören des Weiteren überzeugende Lehransätze. In dem der Studie zugrunde liegenden Projekt WB@Lernfabriken erarbeiteten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ein dreistufiges didaktisches Rahmenkonzept. Zielperspektive der ersten Stufe ist es, erstes Wissen und Kompetenzen zu Industrie 4.0 bis hin zu KI überblickshaft zu vermitteln und so in der Belegschaft ein Bewusstsein für Digitalisierung, Industrie 4.0 und eine vernetzte Produktionswelt zu schaffen. Zielperspektive der zweiten Stufe ist es, technische Fachkräfte weiterzubilden, die bereits über digitale Grundkompetenzen verfügen, während auf der dritten Stufe Expertise zu konkreten betrieblichen Problemstellungen – etwa der Optimierung und Instandsetzung von Anlagen – vermittelt wird.

„Die beruflichen Lernfabriken“, resümiert Studienleiter Windelband, „stehen vor beträchtlichen strukturellen Herausforderungen. Wenn es ihnen jedoch gelingt, ihre Mehrwerte gegenüber anderen Weiterbildungsanbietern auszuspielen, können sie – gerade auch im Kontext des laufenden technologischen Umbruchs in der industriellen Produktion – jene 'Leuchttürme der Weiterbildung' sein, als die sie einst konzipiert worden sind.“

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