Der Handformgießer Siempelkamp digitalisiert seinen gesamten Ofenbetrieb. Eine solche als Komplettkonzept geplante Digitalisierung von Induktionstiegelöfen dieser Größenordnung hat es bis dato in Deutschland nicht gegeben. Partner sind der Ofenbauer ABP Induction Systems und das Startup Zorc Technology.
Anfang Juni haben die drei Partner die Neukonzeption des Schmelzofens als State-of-the-Art-Projekt der Schwerindustrie vertraglich vereinbart. Die Krefelder Siempelkamp Giesserei fungiert in der Partnerschaft als Auftraggeber und Betreiber der zu digitalisierenden Ofenanlagen. Darüber hinaus bringt das Traditionsunternehmen seine umfassende Betriebserfahrung aus der Produktion von bis zu 320 Tonnen schweren Eisenbauteilen ein.
Von ABP aus Dortmund stammen neben der installierten Steuerungshardware auch die notwendigen Schnittstellen zum Betriebssystem der Gießerei. Die neue Steuerungstechnik sorgt für eine klar messbare Steigerung der Produktivität, der Zuverlässigkeit und der Effizienz im komplexen Gieß-Prozess. Herzstück ist das myABP Portal, das Überblick über alle relevanten unternehmenseigenen Anlagen und Prozesse gibt – alle Elemente von Öfen über Waagen bis zu Lanzen sind herstellerübergreifend eingebunden. Es liefert dank seiner Datenqualität und Transparenz die Basis für einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess. Zudem stellt es mit Digital Expert on Demand einen direkten Kontakt zu ABP-Experten zur virtuellen Problembehebung her, ermöglicht direkte Ersatzteilbestellung und sogar die Planung der nötigen Mitarbeitertrainings.
ABP liefert für das Potsdamer Start-up Zorc Technology die komplette Infrastruktur der Zorc Foundry Cloud. Diese neue Software zur Überwachung der metallurgischen Steuerung und Dokumentation speichert die Betriebsparameter der Gießerei und sendet erfahrungs- und KI-basierte Vorschläge zur Optimierung der Produktion direkt an die Mitarbeiter. Indem die Betriebsparameter fortlaufend dokumentiert werden, baut sich dank der Software mit jedem Abguss ein stetig wachsender Datensatz auf, von dem folgende Gießvorgänge in dem metallurgisch hochkomplexen Prozess qualitativ profitieren.
War in der Vergangenheit jeder Abguss vor allem abhängig vom Erfahrungshintergrund des Schmelzers, wird dieser nun in der Überwachung und Dokumentation der Parameter unterstützt und kann sich voll auf ihre Interpretation für die richtigen Handlungsweisen konzentrieren. Die zu überwachenden Betriebsparameter sind komplex und vielfältig: Beladung, Start- und Zieltemperatur, Prozesszeiten und nicht zuletzt die optimale Energienutzung spielen jeweils eine große Rolle.
„Die Sammlung und Abbildung von Daten allein ergibt aber noch keine qualitative Steigerung“, weiß SGK-Geschäftsführer Dr. Georg Geier. „Erst im Zusammenspiel von Mensch und Algorithmik ergibt sich der Sprung in der Prozessqualität, daher werden wir unsere Mitarbeiter im Gebrauch der neuen digitalen Möglichkeiten auch intensiv schulen.“
Wenngleich das Vorhaben nur ein Teil einer großen Digitalisierungsoffensive der SGK ist, die eine vollumfänglichere Umrüstung der Betriebssysteme und Fertigungs-Maschinerie beinhaltet, sorgt die digitale Aufrüstung für erheblich mehr energetische Nachhaltigkeit und damit CO2-Einsparungen bei einem seiner Zentralaggregate, das für Zweidrittel des Energieverbrauchs des Unternehmens verantwortlich ist.
SGK freut sich zudem, stetig anspruchsvollere Kundenbedürfnisse hinsichtlich Materialsicherheit und Bauteilqualität künftig schneller, effizienter und nachhaltiger umsetzen zu können – und seinen Mitarbeitern einen sowohl anspruchsvolleren wie sichereren Arbeitsplatz zu bieten. Projektpartner ABP verfolgt das Ziel, umweltfreundlichere Produktionsabläufe in Gießereien zu etablieren, da Rücklaufmaterial und Energieverbrauch stark reduziert werden können. Durch kürzere und seltenere Anlagenstörungen soll die Produktivität in den Betrieben gesteigert und zudem für mehr Arbeitssicherheit gesorgt werden. Dazu zählt auch eine bessere Ausbildung der Mitarbeitenden in den Betrieben, die in der zum Konzept gehörenden ABP Virtual Academy in allen prozessrelevanten Arbeitsschritten nachhaltig, umfassend und – dank des ABP Virtual Classroom – orts- und zeitunabhängig geschult werden.
Zorc Technology trägt zudem auch auf einer weiteren Ebene zur Sicherheit in einer systemrelevanten Branche bei: Die gewonnenen Daten bleiben dank der integrierten Lösung allesamt beim Unternehmen und Industriespionage wird vorgebeugt. Nach nun erfolgtem Vertragsschluss werden über den Sommer verschiedene Installations- und Testphasen durchlaufen. Mit der regelmäßigen Abschaltung der Öfen zum Jahresende erfolgt die finale Installation für eine voll digitalisierte Wiederaufnahme des Betriebs ab Januar 2022. Im digitalisiertem Regelbetrieb werden in der Folge regelmäßige Optimierungsschleifen eingeplant.
Schlagworte
CADDigitalisierungFertigungNachhaltigkeitProduktionSicherheitSoftware