Fachartikel
Prof. Wolfram Volk von der TU München denkt in großen Dimensionen, wie hier beim Zukunftstag in Düsseldorf. - © BDG/Vogt
05.08.2021

Chancen für die deutsche Gießerei-Industrie

Auf dem Zukunftstag kam auch die wissenschaftlich-technische Seite der Umorientierung der Gießerei-Industrie zur Sprache. Dies übernahm Prof. Dr.-Ing. Wolfram Volk, Lehrstuhl für Umformtechnik und Gießereiwesen utg, TU München. Sein Tenor: Die Branche hat noch viel positives Potenzial. - u. a. mit dem Projekt Windmelt.

Volk mahnte in seinem Vortrag an, dass die Wissenschaft einen Blick „von außen“ auf das Thema Nachhaltigkeit behalten muss, sich nicht in der gesellschaftlichen Diskussion verlieren darf. Es sei Aufgabe von Wissenschaft und Forschung, sich dem Thema offen zu stellen, um Lösungen zu entwickeln und gemeinsam mit der Gießerei-Industrie den Markt mit zukunftsfähigen Innovationen zu überzeugen. Doch wo stehen wir aktuell bei den Megatrends der Wirtschaft? Volk sieht die Gießer in puncto Digitalisierung, Prozessregelung, intelligente Produkte und Energiewende auf dem richtigen Weg, wenn auch noch einiges zu tun sei und bediente sich dabei des Vergleichs mit einem Weizenbierglas, das es zu füllen gelte.

Das Glas ist halb voll?

Viel Luft nach oben sei allerdings beim Image, da die Gießerei-Industrie nach wie vor als veraltet, alchemistisch, schmutzig, energieintensiv und qualitativ minderwertig gilt. Hieraus ergeben sich insbesondere die Handlungssäulen Vernetzung, Innovation, Funktionsintegration und Marketing. Die Gießer müssen den Weg zu den Entscheidern finden und Ansprechpartner vor Ort werden.

So können ganze Produktionsprozesse im Vorhinein optimal den örtlichen Gegebenheiten angepasst und Innovationen eingeführt werden. Beispiele: Durch Funktionsintegration etwa lassen sich beispielsweise großflächige Druckgussteile fertigen, die vorher gefügt werden mussten, im Verbundguss können lokale Materialeigenschaften optimiert werden. Wichtiger Bestandteil künftiger Entwicklungsarbeit wird der Digitale Zwilling sein.

Mit Wind schmelzen

Als einen interessanten Schritt zu mehr Nachhaltigkeit stellte Volk das interdisziplinäre Projekt „Windmelt“ vor. Die Idee dahinter ist, dass bei Windspitzen Windkraftanlagen oft stillstehen, weil die Netzkapazität nicht ausreicht, den dann erzeugten Strom aufzunehmen. Dadurch bleiben jährlich 4 Billionen kWh Strom ungenutzt. Gäbe es Schmelzwerke direkt an den Windkraftanlagen, könnten sie mit den Energieüberschüssen Metall schmelzen und so den CO2-Footprint der Gießerei-Industrie um mehr als 85 % senken. Der Schmelzetransport per Lkw zu den Gießereien würde sich bis zu einem Umkreis von 200 km rentieren.

Umbruch als Chance

Abschließend mahnte Volk an, Umwälzungen zu nutzen, um Innovationskraft zu entwickeln und damit die Wertigkeit des Gießens als Produktionsverfahren herauszustellen. Er würde gerne ein Gütesiegel etablieren, das für Qualität und Nachhaltigkeit steht, um den Kunden bei seiner Entscheidung positiv zu unterstützen und der deutschen Gießerei-Industrie den guten Ruf zu verleihen, den sie verdient.

 

VON MONIKA WIRTH, DÜSSELDORF

Schlagworte

DigitalisierungDruckgussForschungGießereiGießerei-IndustrieGussteileMarketingNachhaltigkeitProduktionSchmelzen

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