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17.01.2024

2024 droht erneute Schrumpfung des BIP – IMK erwartet Rückgang um 0,3 Prozent, ebenso viel wie 2023

Kürzungen bei den Staatsausgaben, höhere Abgaben und die zusätzliche Unsicherheit über die weitere Förderung von Klimaschutzprojekten dürften den bremsenden Effekt von hohen Zinsen und verhaltener Entwicklung der Weltwirtschaft verstärken. In der Folge sinkt das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Jahresdurchschnitt 2024 um 0,3 Prozent. Damit wäre der Rückgang ähnlich groß wie 2023. Zu diesem Ergebnis kommt das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung in seiner neuen Konjunkturprognose. Bei weiter abnehmender Inflation erholt sich zwar im kommenden Jahr der private Konsum wieder etwas. Diese positive Entwicklung kann aber negative Impulse vom Bau, den Anlageinvestitionen und aus dem Außenhandel nicht kompensieren. Bleibt es bei diesem Szenario, steigt die Arbeitslosigkeit im Jahresmittel 2024 spürbar um knapp 240.000 Personen auf 6,2 Prozent nach durchschnittlich 5,7 Prozent 2023. Die Inflationsrate wird im Jahresdurchschnitt 2023 noch hohe 5,9 Prozent betragen, im kommenden Jahr aber weiter deutlich sinken und mit jahresdurchschnittlich 2,5 Prozent wieder relativ nahe am Inflationsziel der Europäischen Zentralbank (EZB) liegen.

Gegenüber seiner vorherigen Prognose vom September geht das IMK für 2023 davon aus, dass das BIP geringfügig weniger stark schrumpft – um 0,3 Prozent statt um 0,5 Prozent. Dabei geht diese Revision für 2023 vor allem darauf zurück, dass das statistische Bundesamt die Daten für die Quartale in der ersten Jahreshälfte nachträglich minimal höher angesetzt hat. Die Prognose für 2024 nehmen die Konjunkturfachleute hingegen deutlich um 1,0 Prozentpunkte zurück, von 0,7 Prozent Wachstum auf 0,3 Prozent Rückgang. Neue Werte des IMK-Konjunkturindikators unterstreichen die trüben Aussichten: Für den Drei-Monats-Zeitraum bis Ende Februar 2024 signalisiert das Instrument ein Rezessionsrisiko von knapp 70 Prozent.

„Der von der Bundesregierung als Kompromiss vorgelegte Haushaltsentwurf ist zwar kein brachialer Austeritätshaushalt. Er kürzt aber Ausgaben an verschiedenen Stellen und beinhaltet Abgabenerhöhungen. All das hat negative Effekte auf das Wachstum“, sagt Prof. Dr. Sebastian Dullien, der wissenschaftliche Direktor des IMK.

Hinzu komme, dass das Urteil des Bundesverfassungsgerichts und die Reaktion der Regierung darauf Unsicherheit bei Unternehmen und privaten Haushalten geschürt habe, was ebenfalls das Wachstum belaste. „Die Haushaltssperre aus dem November, der nun beschlossene Wegfall bereits zugesagter Entlastungen wie bei den Netzentgelten und die Tatsache, dass zwischenzeitlich in der Öffentlichkeit Projekte von der Chipförderung bis zu Subventionen für bereits begonnene Investitionen etwa bei der Batteriezellenproduktion in Frage standen, stellt aus Sicht vieler Unternehmen die Verlässlichkeit der deutschen Politik in Frage“, so Dullien weiter. „Besser wäre es gewesen, wenn die Bundesregierung aufgrund der wirtschaftlichen Folgen des russischen Angriffs auf die Ukraine und des dadurch verursachten massiven Energiepreisschocks sofort erneut die Notsituation nach Artikel 115 Grundgesetz erklärt und auf Kürzungen verzichtet hätte.“


„Nicht ohne Not in eine hartnäckige wirtschaftliche Schwäche manövrieren“

Angesichts einer im internationalen Vergleich relativ niedrigen Staatsschuldenquote und von Haushaltsdefiziten, die selbst bei der aktuell schwachen Konjunktur moderat ausfallen – das IMK prognostiziert für 2023 ein Defizit von 1,6 Prozent des BIP – „müssen wir aufpassen, dass wir uns nicht ohne Not in eine hartnäckige wirtschaftliche Schwäche manövrieren“, warnt der IMK-Direktor. „Jetzt zeigt sich auch, wie ungeeignet die Schuldenbremse für die Herausforderungen der aktuellen Zeit ist. Statt einfach einen Haushalt aufstellen zu können, der den konjunkturellen und transformativen Herausforderungen angemessen ist, gibt es jetzt lange Diskussionen um mögliche Erklärungen für Notsituationen“, so Dullien. Wichtig sei nach dem aktuellen Haushaltskompromiss, nun Spielräume und Planungssicherheit auch für die Jahre nach 2024 zu schaffen. „Ein denkbarer Weg wäre die Einrichtung eines Sondervermögens, um die nötigen öffentlichen Investitionen für das kommende Jahrzehnt sicherzustellen.“

 

Arbeitsmarkt

Die schwache konjunkturelle Dynamik bremst die Entwicklung der Erwerbstätigkeit stark. Die Zahl der Erwerbstätigen legt 2023 jahresdurchschnittlich noch um 0,8 Prozent zu, 2024 sinkt sie um 0,1 Prozent. Gleichzeitig wächst die Arbeitslosigkeit. Bei den Arbeitslosenzahlen prognostiziert das IMK im Jahresdurchschnitt 2023 einen Anstieg um knapp 200.000 Personen, so dass im Jahresmittel rund 2,61 Millionen Menschen arbeitslos sein werden. Das entspricht einer Quote von 5,7 Prozent, ein Anstieg um 0,4 Prozentpunkte gegenüber 2022. Für 2024 veranschlagen die Forschenden eine weitere Zunahme der Arbeitslosigkeit auf 2,85 Millionen Personen und eine Quote von 6,2 Prozent.


Weltwirtschaft und Außenhandel

Die Weltwirtschaft wächst sehr verhalten, wozu die global hohen Zinsen wesentlich beitragen. So verlangsamt sich die BIP-Entwicklung in den USA von 2,4 Prozent 2023 auf 1,3 Prozent 2024. Das ohnehin geringe Wirtschaftswachstum im Euroraum geht von 0,5 Prozent in diesem Jahr auf 0,4 Prozent im kommenden Jahr zurück. Damit erhält der deutsche Export nur schwache Impulse von wichtigen Handelspartnern. Die deutschen Ausfuhren sinken um 2,3 Prozent im Jahresmittel 2023. Trotzdem leistet der Außenhandel per Saldo rechnerisch einen kleinen positiven Wachstumsbeitrag, weil die Importe jahresdurchschnittlich noch stärker sinken: um 3,0 Prozent. 2024 gehen die Exporte geringfügig um 0,1 Prozent zurück, die Importe nehmen minimal um 0,1 Prozent zu.


Investitionen

Die Ausrüstungsinvestitionen entwickeln sich laut IMK-Prognose 2023 noch robust und steigen um 3,9 Prozent im Jahresmittel. Im kommenden Jahr bricht der positive Trend aber ab: die Ausrüstungsinvestitionen wachsen nur minimal um 0,1 Prozent, auch weil Unternehmen mit Ausgaben abwarten werden, so lange Unsicherheit über den öffentlichen Investitionskurs herrscht. Die Bauinvestitionen brechen wegen erhöhter Kosten und Zinsen weiter ein. Nach einem Rückgang um 1,8 Prozent im Jahresdurchschnitt 2023 fallen sie 2024 sogar um jahresdurchschnittlich 5,1 Prozent zurück.

 

Privater Konsum

Die starke Teuerung drückt in diesem Jahr auf die realen Einkommen, auch wenn sich die nominalen Löhne durch höhere Tarifabschlüsse spürbar kräftiger entwickeln als in den Vorjahren. Für 2024 erwartet das IMK dann bei niedrigerer Inflation wieder reale Lohngewinne. Die privaten Konsumausgaben sinken dementsprechend im Jahresmittel 2023 real um 1,0 Prozent. 2024 erholen sie sich wieder etwas, nehmen mit 0,6 Prozent Wachstum aber nur moderat zu.


Inflation und öffentliche Finanzen

Für 2023 rechnet das IMK mit einer durchschnittlichen Teuerungsrate von 5,9 Prozent. 2024 beruhigt sich das Inflationsgeschehen dann stärker. Zwar wirken zu Jahresbeginn der höhere CO2-Preis, das Auslaufen der Energiepreisbremsen und die Normalisierung des Mehrwertsteuersatzes in der Gastronomie noch einmal preistreibend, so dass der Rückgang der Inflationsrate zumindest gebremst wird. Ab März setzt sich der Sinkflug dann aber konsequent fort, im Jahresdurchschnitt 2024 beträgt die Teuerungsrate 2,5 Prozent.

Die Steuereinnahmen entwickeln sich 2023 gedämpft, nicht zuletzt als Folge verschiedener steuerlicher Entlastungen. Zugleich setzt der Staat zur Krisenbekämpfung noch erhebliche Mittel ein. Das trägt zur Stabilisierung der Konjunktur bei und verhindert einen stärkeren Einbruch. Das öffentliche Budget wird 2023 ein Defizit von 1,6 Prozent aufweisen – deutlich weniger als noch im Sommer erwartet. Für 2024 geht das IMK für die öffentlichen Finanzen von einem restriktiveren Kurs aus. Das bremst die Konjunktur bei einem prognostizierten Rückgang des Defizits auf 1,0 Prozent im Jahresdurchschnitt 2024.

Quelle: Hans-Böckler-Stiftung

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