Das RWI erwartet, dass das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Durchschnitt dieses Jahres nur um 0,1 Prozent zunimmt. Im Juni war das Institut von einem durchschnittlichen Anstieg von 0,4 Prozent für dieses Jahr ausgegangen. Für 2025 prognostiziert das RWI ein Wirtschaftswachstum von 0,9 Prozent, in seiner Juni-Prognose hatte es mit 1,5 Prozent gerechnet. 2026 dürfte das BIP nach RWI-Prognose dann um 1,4 Prozent wachsen.
Die niedrigeren Prognosen des Wirtschaftswachstums in diesem und im nächsten Jahr beruhen darauf, dass die gesamtwirtschaftliche Nachfrage bisher keinen Schwung entfaltet. Zwar haben sich einige Rahmenbedingungen spürbar verbessert, so hat die Inflation nachgelassen und die real verfügbaren Einkommen sind gestiegen. Trotzdem halten die Unternehmen sich weiterhin mit Investitionen zurück. Auch die privaten Haushalte haben bislang trotz gestiegener real verfügbarer Einkommen ihrem Konsum nicht ausgeweitet. Zudem weisen die deutschen Exporte wenig Dynamik auf. Ihr Expansionstempo bleibt derzeit hinter dem des Welthandels zurück. Die deutschen Unternehmen verlieren dadurch Weltmarktanteile.
Die Teuerungsrate ist mit voraussichtlich 1,9 Prozent im August stärker als erwartet gesunken. In den kommenden Monaten dürfte sie nochmals leicht ansteigen. Die Inflationsrate dürfte im Durchschnitt dieses Jahres daher bei 2,3 Prozent liegen. Für die kommenden beiden Jahre prognostiziert das RWI eine durchschnittliche Inflationsrate von jeweils 2 Prozent.
Trotz der anhaltenden Konjunkturschwäche zeigt sich der deutsche Arbeitsmarkt weiterhin recht robust. Im Verlauf des kommenden Jahres wird die Erwerbstätigkeit wohl trotz sinkender Arbeitslosigkeit ihren Zenit erreichen und letztlich überschreiten, da die Zahl der Erwerbspersonen demografisch bedingt sinkt. Die Arbeitslosigkeit dürfte 2025 und 2026 verstärkt abnehmen. Die Arbeitslosenquote dürfte von voraussichtlich 6 Prozent in diesem Jahr über 5,9 Prozent im nächsten Jahr auf 5,7 Prozent im Jahr 2026 sinken.
Das Defizit der öffentlichen Haushalte dürfte 2024 auf gut 89 Milliarden Euro zurückgehen. Die Einnahmen des Staates steigen kräftig, sowohl Steuereinnahmen als auch Sozialbeiträge wachsen. Gleichzeitig sinken die Staatsausgaben, unter anderem durch den Wegfall von „Preisbremsen“. Im Jahr 2025 dürfte das Finanzierungsdefizit weiter auf 68 Milliarden Euro und im Jahr 2026 auf 62 Milliarden Euro sinken.
Es gibt verschiedene Risiken für die konjunkturelle Entwicklung der deutschen Wirtschaft. Zum einen könnte sie aus der inzwischen ungewöhnlich langanhaltenden Stagnationsphase erneut in die Rezession abgleiten. Die privaten Haushalte könnten sich aufgrund des steigenden Arbeitsplatzrisikos noch stärker mit Anschaffungen zurückhalten, so dass der private Konsum sich weiterhin nicht erholt. Darüber hinaus besteht das nicht unerhebliche Risiko, dass die Unsicherheit hinsichtlich wirtschaftspolitischer Maßnahmen in Deutschland hoch bleibt. Sollten größere, auf die Revitalisierung der Wachstumskräfte ausgerichtete politische Reformvorhaben bis nach der Bundestagswahl im kommenden Jahr verschoben werden, dürfte dies dazu beitragen, dass sich die heimischen Unternehmen weiterhin mit Investitionen zurückhalten oder verstärkt Investitionen im Ausland vornehmen. Auch die Schwäche der deutschen Exporte könnte anhalten und damit auch deren Impulse für die Wirtschaft schwächer ausfallen.
Für die Weltwirtschaft gehen Risiken weiterhin von den geopolitischen Spannungen etwa in der Ukraine, im Nahen Osten und rund um Taiwan aus. Risiken bestehen auch hinsichtlich der globalen Handelskonflikte und im Hinblick auf die künftige Ausrichtung der US-Politik nach den dortigen Präsidentschaftswahlen.
Zu den Aussichten für die deutsche Wirtschaft sagt RWI-Konjunkturchef Torsten Schmidt: „Damit die deutsche Wirtschaft sich aus ihrer Stagnation befreit, braucht es vor allem sichere Investitionsbedingungen für Unternehmen und eine Erholung des privaten Konsums.“