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Spielen wirkt wie ein Katalysator beim Lernen, erleichtert die Aufnahme von Neuem, macht Spaß und lockert das Lernsetting auf. - © ADOBESTOCK
23.01.2023

Gamification: Spielerisch Kompetenzen aufbauen

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Klassische Weiterbildungsformate wie Präsenz- oder virtuelle Trainings, webbasiert oder als Video-Training, werden zunehmend mit anderen Formaten und Erweiterungen ergänzt. Neben sozialen Lernformaten wird in der digitalen Welt vor allem die Gamifizierung des Lernens vorangetrieben. Dieser Artikel behandelt die Frage nach dem Mehrwert von Gamification und beleuchtet deren Chancen und Risiken.

 

VON PAUL ANDRITZKY

 

Die Anforderungen an das lebenslange Lernen im beruflichen Kontext nehmen aufgrund immer komplexer werdender Themen stetig zu. Um von der rasenden Entwicklung der (Arbeits-)Welt nicht abgehängt zu werden, gehört ein gutes Weiterbildungsangebot zum Selbstverständnis erfolgreicher Unternehmen und deren Mitarbeitern. Weiterbildung ist jedoch kein Selbstzweck – Unternehmen können mit guten Weiterbildungsangeboten auf dem Bewerbermarkt punkten und gleichzeitig ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen für die Anforderungen der Zukunft befähigen. Doch was macht eine gute Weiterbildung aus?

 

Was ist Gamification?

Gamification (von engl. „game“= „Spiel“) ist laut Gabler Wirtschaftslexikon die Übertragung von spielerischen Elementen in spielfremde Zusammenhänge. Alternativ bezeichnen wir dies als „Gamifizierung“ oder „Spielifizierung“. Ursprünglich kommt dieser Begriff, wie der Name vermuten lässt, aus dem Gaming-Bereich. Unter dem Begriff Gaming wird das Nutzen von Spielen auf PCs, Konsolen, Smartphones oder Tablets verstanden. Statistisch gesehen spielen heute ca. 50 % aller Deutschen Computer- und Videospiele. Betrachten wir die Statistik der 16- bis 29-Jährigen, sehen wir sogar einen Anteil von über 80 %. Allein ein Blick auf diese Zahlen verrät das Potenzial, welches im Online-Spielen steckt. Es liegt also sehr nahe, uns die Begeisterung so vieler Menschen auch in der Weiterbildung zunutze zu machen (Statista, 2022).

So hat Schiller bereits vor über zwei Jahrhunderten die Bedeutung des Spielens hervorgehoben. Um den Begriff nochmals zu verdeutlichen: Bei Gamification geht es nicht um die Entwicklung von Software oder kompletten Spielen (Brinkhaus, 2020). Die Grundidee von Gamification besteht darin, für Spiele typische Elemente in einen spielfremden Kontext zu übertragen (Deterding et al., 2011). Gamification nennt sich also der „Prozess der Verwendung von Spielelementen in einem Nicht-Spiele-Kontext“. Gamification beschreibt die Adaption erprobter und erfolgreicher Konzepte aus dem Spielbereich (PREGA Design, 2021). Das Prinzip der Gamification wird in diversen Kontexten angewendet – beispielsweise bei Treueprogrammen im Supermarkt und in Restaurants zur Kundenbindung oder bei Bonusprogrammen im Bahn- und Flugverkehr. Ganz konkret wurde etwa in Stockholm eine Treppe zum Klavier umgebaut, um die Nutzung vergnüglicher zu machen und gleichzeitig Bewegung zu fördern, indem auf die Rolltreppe verzichtet wird. Oder ein Unternehmen vernetzt seine „Smart Bottle“ mit einer App und erinnert den Nutzer durch visuelle Effekte daran, ausreichend zu trinken (HidrateSpark, Bild 1).

© HIDRATESPARK
Bild 1: Die „Smart Bottle“ ist mit einer App vernetzt und erinnert den Nutzer durch visuelle Effekte daran, ausreichend zu trinken. © HIDRATESPARK

Um Formen von Gamification besser zu differenzieren, gliedert Stöcklin Gamification in vier Arten (Tabelle 1). Gamification lässt sich darüber hinaus auf andere Aufgaben und Inhalte übertragen. Speziell im Weiterbildungs- und Lernkontext können beispielsweise der Zugang zu komplexen Inhalten und Themen, die vielen Lernenden von Haus aus schwer zugänglich sind, erleichtert werden (Weckmüller & Aprea, 2021).

Tabelle 1: Formen von Gamification nach Stöcklin in AK (2021).

Die tabellarisch aufgeführten Elemente können genutzt werden, um den Lernenden auf dem Weg zum Ziel zu begleiten und zu motivieren und somit das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren (Bild 2).

© TIBA MANAGEMENTBERATUNG
Bild 2: Gamification- Elemente. © TIBA MANAGEMENTBERATUNG

Was ist das Ziel von Gamification im Lernkontext? Ralf Oerther, Professor für Entwicklungspsychologie, sagt, dass Spielen zwar ohne Zweck, aber nicht ohne Sinn sei. Erwachsene seien es gewohnt, konstant zu funktionieren und ihre Pflichten zu erfüllen. Ein Spiel befreie von diesen Pflichten, es wirke auflockernd und entspannend (Brinkhaus, 2020). Spielen wirkt also wie ein Katalysator beim Lernen, erleichtert die Aufnahme von Neuem, macht darüber hinaus Spaß und lockert das Lernsetting auf.

Dabei darf nicht unterschätzt werden, dass Weiterentwicklung grundsätzlich anstrengend ist. Um ein neues Level zu erreichen, müssen kontinuierlich neue, höhere Ziele in Angriff genommen werden.

Wer die Schwierigkeit nicht erhöht, läuft Gefahr einer stagnierenden Entwicklung (Fritz, 2021). Gamification, wenn richtig eingesetzt, unterstützt Lernende, sich diese neuen Ziele zu setzen und auch zu erreichen (Lerntechniken.info, 2016). Durch den spielerischen Impuls sollen Ehrgeiz und Bereitschaft zur vertieften Auseinandersetzung mit komplexen Sachverhalten und eine bessere Verankerung des Lernens gefördert werden (ebd.). Das dahinterstehende Belohnungsprinzip und der Wettbewerb motiviert die Lernenden zur fortlaufenden Auseinandersetzung mit ihren Lernzielen (PREGA Design, 2021).

„Spiel ist ein ausgezeichnetes Medium für die Zone nächster Entwicklung, die als zentraler Prozess der Enkulturation und Sozialisation ein Übergangsstadium zwischen vorherigem und nachfolgendem komplexeren Entwicklungsstand bildet“ (Oerter, 2007). Spielen in all seinen Facetten fördert demnach Fähigkeiten wie kritisches Denken, Mit- und Zusammenarbeit und soziales Bewusstsein. Darüber hinaus werden neue Interessen getriggert und das allgemeine Leistungsvermögen verbessert.

 

Hält Gamification, was es verspricht?

In der Motivationspsychologie werden drei Grundbedürfnisse genannt, die auch die Wirkungsweise von Gamification zu erklären versuchen. Deci & Ryan (1993) liefern mit der Selbstbestimmungstheorie ein Konzept, welches die drei Grundbedürfnisse Kompetenz, soziale Eingebundenheit und Autonomie untersucht und eine Verbindung zwischen intrinsischer Motivation und Lernerfolg herstellt. Sie beschreiben, dass jeder Mensch drei psychologische Grundbedürfnisse hat, die für die Motivation ausschlaggebend sind (Deci & Ryan, 1993):

> Kompetenz: Leistungsfähigkeit in einem bestimmten Aufgabenbereich
> Autonomie: Das Gefühl, Kontrolle über die Vorgänge in seiner direkten Umgebung zu haben
> Soziale Eingebundenheit: Zugehörigkeitsgefühl zu einer Gruppe

Demnach ist für den Kompetenzaufbau ausschlaggebend, dass die Lernreise von den Teilnehmern als bedeutsam und sinnvoll wahrgenommen wird, sowie dass klare und erreichbare Ziele formuliert wurden. Zu deren Erreichung benötigen die Lernenden regelmäßiges Feedback. Autonomie kann durch Wahlmöglichkeiten und Reduzierung von Kontrolle hergestellt werden und soziale Eingebundenheit durch Anerkennung der erbrachten Leistungen, Schaffung von Kooperationsmöglichkeiten, oder durch die Etablierung eines den Unternehmenszielen dienenden Wettbewerbs unter den Mitarbeitern (Lerntechniken. info, 2016). Gamification unterstützt diese Grundbedürfnisse durch die Erhöhung des Spaßfaktors im Kompetenzaufbau und damit verbundenen Erfolgserlebnissen. Darüber hinaus findet innerhalb der Gemeinschaft ein stetiger Austausch über die Leistungen und Erfolgserlebnisse statt. In diesem Zusammenhang kann auch eine Gruppe an einer Problemlösung arbeiten und sich damit jeder einzelne als Teil der Gemeinschaft fühlen.

 

Welche Risiken birgt Gamification?

Neben diesen beschriebenen Chancen gibt es bei Gamification auch Risiken zu beachten. Bei falschem Einsatz kann Gamification das Gegenteil der ursprünglichen Intention erreichen und nur wenige oder sogar keine Lerneffekte erzielen. Monotone Gestaltung der Gamification-Oberfläche und mangelnde Kreativität bei der Gestaltung der zu gewinnenden „Preise“ führen schnell zu Demotivation. Daneben kann sich ein Gewöhnungseffekt einstellen: Belohnungen zu erhalten, ist dann nicht mehr ausreichend, um mit der gleichen Motivation wie zu Beginn der Gamification-Maßnahme am Ball zu bleiben.

Zudem müssen bei der Gamification-Strategie die verschiedenen Lerntypen berücksichtigt werden. Einige können dem Wettbewerb und dem damit verbundenen Druck nichts abgewinnen und zeigen sich von Beginn an resistent. Zudem kann kritisiert werden, dass durch den extrinsischen Anreiz der Gamification-Maßnahmen die intrinsische Motivation verloren gehen könnte und die beschriebenen Grundbedürfnisse Kompetenz, soziale Eingebundenheit und Autonomie nicht vollumfänglich erfüllt werden. Darüber hinaus heißt es auch bei Gamification: Weniger ist mehr. Ständige Erinnerungen und Aufforderungen führen zu Abstumpfung – Spiele zur Lernförderung sollten also mit Bedacht eingesetzt werden (Lerntechniken.info, 2016).

 

Fazit

Mehrere Studien kamen zu dem Schluss, dass sich Gamification tatsächlich positiv auf den Lernerfolg auswirken kann. Dies hängt jedoch sehr vom Kontext der Anwendung und der jeweiligen Nutzerschaft ab. Gerade im Online-Bereich kann den Anwendern sofort ein Feedback gegeben werden. So lernen sie schrittweise aus ihren Handlungen und erhalten ein Gefühl von Selbstständigkeit und Kompetenz. Der auf diese Weise erlernte Stoff bleibt den Lernenden nachhaltig im Gedächtnis. So ist Gamification ein wirksames Mittel, um für das Lernen zu motivieren. Gamification kann sich insgesamt in Form einer höheren Motivation, einem höheren Engagement und mehr Spaß an Lerninhalten auswirken (Lerntechniken.info, 2016). Dies führt dazu, dass der Prozess effektiver wird: Das neu erlernte Wissen manifestiert sich dauerhaft, anstatt spätestens mit dem Start der nächsten Lerneinheit direkt wieder aus dem Gedächtnis verbannt zu werden (Fritz, 2021).

www.tiba.de
Erstmals erschienen im Tiba Magazin, Ausgabe 2022, ISSN 2198-1655 Literatur unter https://bit.ly/3eysaCt

Schlagworte

DesignGestaltungSoftware

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