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24.01.2022

Lösungsansätze zur Dekarbonisierung

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GIESSEREI

Wie sieht die energetische Zukunft der Gießereibranche aus? Benötigen wir auch den viel diskutierten Energieträger grünen Wasserstoff für eine klimaneutrale Branche? Das sind die Leitfragen des Projekts InnoGuss von BDG und Partnern. Hier kommt nach einem dreiviertel Jahr Projektlaufzeit das Update: Was hat das Projekt InnoGuss bisher für die Branche an Lösungsansätzen ergeben?

InnoGuss, das vom Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen gefördert und von den drei Projektpartnern BDG, BDG-Service und VDEh-Betriebsforschungsinstitut bearbeitet wird, läuft seit gut einem Dreivierteljahr. Die wichtige Datenerfassung zum Stand des Energieeinsatzes und der Energieeffizienz der nordrheinwestfälischen Gießerei-Industrie steht kurz vor dem Abschluss. Auf Basis der gesammelten Daten werden in den nächsten Arbeitspaketen zum einen praxisnahe Handreichungen für Gießereien in Form eines Kompasses erarbeitet als auch ein Transformationspfad für die Gießereibranche entwickelt. Doch um diesen Transformationspfad zu skizzieren, benötigt die Branche Technologien und Ressourcen, welche die Reduktion von CO2 möglich machen und Brücken auf dem Weg zur Klimaneutralität schlagen. Im Folgenden werden verschiedene Lösungsansätze vorgestellt, die in der Regel praktische Erprobung benötigen und Gegenstand der Forschung sein werden.

Erste Ansätze

Nach sechs Monaten intensiver Recherche klimafreundlicher und -neutraler Lösungen für die Branche und dem Blick in andere Branchen zeigen sich erste Ansätze für die Transformation der Gießerei-Industrie. Zunächst muss unterschieden werden, welche Klimaziele wann erreicht werden sollen, was also die Zielsetzung der Transformation bzw. Prozessumstellung ist. Auf Grundlage des Bundesklimaschutzgesetzes ergibt sich für die gesamte Industrie ein CO2-Reduktionsziel von etwa 37 % für 2030 auf Basis des Jahres 2020 (KSG Anlage 2). Das heißt, für die schon ambitionierten Zwischenziele 2030 bedarf es keiner vollständigen Substitution fossiler Energieträger bzw. neuer Technologien und Kompensationen, die eine klimaneutrale Produktion ermöglichen. Erst bis zum Jahre 2045 müssen alle Prozesse annähernd klimaneutral ablaufen bzw. bilanziert werden. Selbst hier soll ein Ausgleich der restlichen, nicht oder sehr schwer vermeidbaren Emissionen durch Negativemissionen erfolgen. So ist etwa bis zum Jahr 2040 eine Reduktion der gesamten Emissionen um 88 % vorgeschrieben (KSG Anlage 3). Das bedeutet für alle zurzeit fossil betriebenen Aggregate: Ein Betrieb ist weiterhin möglich, wird aber durch die CO2-Bepreisung und zunehmende staatlichen Eingriffe weiter verteuert. Der Umstieg in klimaneutrale Energieträger wird zur strategischen Aufgabe für jedes einzelne Unternehmen und hängt ganz wesentlich vom Zeitpunkt der Verfügbarkeit und Wirtschaftlichkeit von Alternativen ab. Bei den fossilen Energieträgern können eine Optimierung der Verfahren und auch eine Teilsubstitution von fossilen Energieträgern wichtige Meilensteine zur Erreichung der Klimaziele 2030 und 2040 beisteuern.

Dekarbonisierung, aber wie?

In der Gießerei-Industrie geht es um drei Hauptenergieträger: Gießereikoks für den Betrieb von Kupolöfen, Erdgas für den Betrieb von Schachtöfen, Pfannenheizungen und Wärmebehandlungen sowie elektrischer Strom primär für den Betrieb von Induktions- und Lichtbogenöfen, aber auch Widerstandsöfen. Strom erfüllt jedoch noch in vielen weiteren Anlagen einen Zweck: Sämtliche Kompressoren, Ventilatoren, Hubanlagen und ähnliches werden mit Strom betrieben, wobei der Bedarf nicht vernachlässigbar ist.

Beginnend beim elektrischen Strom, liegt die Verantwortung zur Dekarbonisierung zum großen Teil in der Hand des Stromerzeugers. Die gesetzlichen Vorgaben sind hier mit noch drastischeren Vorgaben für die Reduktion behaftet. Es wird eine Einsparung der Emissionen in der Energiewirtschaft von etwa 61 % bis 2030 verglichen mit 2020 verlangt (KSG Anlage 2). Gießereien können den Teil der auf Strom entfallenden CO2-Emissionen reduzieren, indem sie prüfen, ob Strom CO2-neutral zu beziehen ist. Ebenfalls sollte eruiert werden, inwieweit eine Eigenstromerzeugung z.B. mittels Fotovoltaik auf den meist großen Dachflächen der Produktionsstätten möglich ist. Dies kann nicht nur aus CO2-Sicht einen Vorteil bieten, sondern auch unabhängig von Strompreisen an der Börse machen, die zurzeit nicht nur der Gießereibranche Sorgen bereiten. Vor allem kleinen Betrieben mit einer Produktion am Tag kommt die Erzeugung von Solarstrom entgegen, da dieser direkt selbst nutzbar ist. Anders ist es etwa bei 3-Schicht-Produktionen, die auch zu den sonnenschwachen Tageszeiten genügend Strom verfügbar haben müssen. Hier könnte die Nutzung von Windstrom eine Möglichkeit sein, eine tageskonstante Produktion sicherzustellen – sofern der Wind weht. Besonders im Hinblick auf eine stärkere Ausrichtung der Politik hin zu CO2-Reduktion können wirtschaftliche Anreize diese Investitionen interessant machen.

Ein Ansatz, der Hoffnung für den Betrieb des Kupolofens gibt, ist der Einsatz von Biokoks. Ein Blick in die Stahlindustrie zeigt, dass dieser Energieträger besonders in Südamerika seit Jahrzehnten Verwendung findet. Die große Herausforderung besteht in der Verfügbarkeit von adäquaten Substituten für Gießereikoks. Häufig sind karbonisierte Biomassen in Pulverform verfügbar, Angebote von Biokoks in Brikettform fehlen noch bzw. sind überschaubar – hier muss die zukünftige Nachfrage mit den potenziellen Lieferanten zusammengeführt werden. Außerdem ist der Transport z. B. von amerikanischen Biomassekarbonisaten in Form von pulverförmigem Schüttgut kosteneffizienter. Eine Optimierung der Binder für die Brikettierung sowie die Erfüllung der Anforderungen aus dem Schmelzprozess, wie etwa Porosität und Stückgröße, sind Bestandteil laufender und geplanter Entwicklungsarbeiten. Wie ein Forschungsprojekt des IfG – Institut für Gießereitechnik und der RWTH Aachen aus dem Jahr 2013 zeigt, ist das Einblasen von Braunkohlekoksstaub in den Kupolofen zur energetischen Optimierung möglich. Dieses Verfahren könnte somit auch zeitnah eine Einsatzmöglichkeit für pulverförmigen Biokoks sein.

Ein Energieträger, der seit einigen Jahren in aller Munde ist, könnte auch der Gießerei-Industrie helfen: Wasserstoff. Als gasförmiger Stoff ist eine Eindüsung bzw. ähnlich zu Sauerstoff mit geeigneten Brennern denkbar. Die laufenden Wasserstoffprojekte in der Stahlindustrie liefern interessante Hinweise, inwieweit ein Einsparpotenzial vorhanden ist. Außerdem lässt sich auch ableiten, wie aufwendig ein Umbau einer solchen Anlage sein kann. Eine weitere Möglichkeit ist der Transfer der Erkenntnisse aus dem Betrieb des kokslosen Kupolofens. Überträgt man die Erfahrungen auf die Verwendung von Wasserstoff als Energieträger in einer ähnlichen Ofenform, könnte sich eine ganz neue Lösung für die Branche aufzeigen. Hierbei handelt es sich jedoch um Forschungsvorhaben, die noch keine Lösungen für die Transformation in naher Zukunft darstellen. Für die Klimaneutralität der Branche im Jahr 2045 ist so eine Lösung jedoch durchaus denkbar.

Fazit

Es gibt also unterschiedliche Ansätze für die verschiedenen Phasen der Transformation. Ob alle skizzierten Lösungen auch in der Erprobung und in der Forschung ihre Relevanz in vollem Ausmaß entfalten, wird sich in den kommenden Jahren zeigen. Für das Projekt InnoGuss und den wichtigen Transformationspfad bieten diese Möglichkeiten die Chance, Klarheit und Richtung vorzugeben und als Basis für Gespräche mit der Politik und anderen Stakeholdern zu dienen.

Im Projekt geht es inhaltlich mit der Betrachtung von Randbedingungen und Hemmnissen der Transformation weiter. Parallel dazu wird am Kompass zur Dekarbonisierung gearbeitet, um den Gießereien praktische Hilfen an die Hand geben zu können. Das VDEh-Betriebsforschungsinstitut wird federführend mit seiner Expertise einen Blick auf die mögliche Breakthrough-Technologie Wasserstoff werfen, um den Fokus für die zukünftige Betrachtung zu schärfen.

Dominik Walter, Projektmanager, Bundesverband der Deutschen Gießerei-Industrie (BDG)

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