Der europäische Binnenmarkt besitzt für die mittelständischen Industrieunternehmen sowohl als Beschaffungs- als auch Absatzmarkt von allen Auslandsmärkten die höchste Relevanz, gefolgt von den Märkten in den anderen europäischen Ländern und in China. Dies zeigte in 2023 eine IfM-Befragung von über 1.800 Führungskräften im industriellen Mittelstand.
Die Unternehmen profitieren sowohl von der Größe des Binnenmarkts als auch von den weitgehend harmonisierten Regelungen. Dadurch sinken zum einen die Transaktionskosten der Handelsbeziehungen in der EU. Zum anderen eröffnen sich den Unternehmen Kosten- und Produktivitätsvorteile aufgrund von Fixkostendegressionseffekten, wenn sie größere Mengen produzieren und in der EU absetzen können. Sowohl die Transaktionskostensenkung als auch die Produkti-vitätsvorteile erhöhen somit die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen innerhalb und außerhalb der Europäischen Union.
"Neben all‘ diesen Vorteilen bietet der EU-Binnenmarkt umfassende Rechtssicherheit und verlässliche Rahmenbedingungen, was gerade angesichts der wachsenden globalen Risiken einen hohen Wert für den Mittelstand darstellt. Daher ist er sowohl für die Beschaffung von Vor- und Zwischenprodukten als auch für den Absatz der eigenen Produkte für die große Mehrheit der deutschen Industrieunternehmen von zentraler Bedeutung“, legt Studienleiter Hans-Jürgen Wolter dar.
Darüber hinaus tragen die harmonisierten Rahmenbedingungen des EU-Binnenmarkts dazu bei, die vielfältigen unternehmerischen (Ideen-)Potenziale in den EU-Mitgliedstaaten miteinander in Beziehung zu setzen. Dies fördert die Innovationsfähigkeit der Unternehmen, da sie gemeinsam bessere, innovativere Produkte und Dienstleistungen entwickeln können.
"Prinzipielle EU-Skepsis sollte daher ebenso nachdrücklich hinterfragt werden wie Forderungen nach einem ‘Dexit‘". Ein warnendes Beispiel stellt der Brexit dar: Seitdem Großbritannien sowohl die Zollunion als auch den EU-Binnenmarkt verlassen hat, spielt laut unserer Befragung der Warenaustausch mit dem Vereinigten Königreich aufgrund der neu entstandenen nicht-tarifären und tarifären Handelshemmnisse eine deutlich geringere Rolle", berichtet Hans-Jürgen Wolter.
Im Hinblick auf die kommende EU-Legislaturperiode hofft Hans-Jürgen Wolter, dass die Wirtschaftspolitik für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) weniger kleinteilig gestaltet und stattdessen eine ordnungspolitisch ausgerichtete europäische Mittelstandspolitik initiiert wird: "Dabei sollte auf ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Zentralisierungs- und Dezentralisierungsvorteilen geachtet werden. Ein großer Teil des in den EU-Mitgliedstaaten geltenden Rechts beruht mittlerweile direkt oder indirekt auf EU-Recht. Umso wichtiger ist es, dass die Unternehmerinnen und Unternehmer die Rechtsvorschriften als verhältnismäßig, sinnvoll und umsetzbar ansehen. Anderenfalls besteht die Gefahr, dass sie eigenmächtig autonomen Bürokratieabbau betreiben, was die Rechtsstaatlichkeit und die Akzeptanz der EU unterminiert."
Die Studie "Entwicklungstendenzen globaler Wertschöpfungsketten aus Sicht mittelständischer Unternehmen" ist auf der Homepage des IfM Bonn abrufbar.