Meinung Veranstaltung
Philipp Weiß
31.01.2025

Dr. Philipp Weiß: „Nachwuchsgewinnung ist eine Schlüsselaufgabe“

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GIESSEREI
Der Fachkräftemangel ist in nahezu allen Industriesektoren eine große Herausforderung. Auch der wirtschaftliche Erfolg der Gießereibranche hängt jetzt und künftig von ihrer Attraktivität und der Verfügbarkeit von qualifiziertem Nachwuchs ab. Am 13. und 14. März widmet sich das 49. Aachener Gießerei-Kolloquium diesem vorrangingen Thema mit informativen Beiträgen aus Industrie, Wissenschaft, Aus- und Weiterbildung. Dr. Philipp Weiß ist Beiratsvorsitzender der Aachener Gießer-Familie und Mitglied des Programmausschusses. Was die Teilnehmer konkret erwartet, erklärt er im Interview. 
 
Herr Dr. Weiß, das diesjährige Aachener Gießerei-Kolloquium steht unter dem Motto „In Zukunft gießen – Nachwuchspotenziale für eine starke Branche“. Was hat Sie dazu bewogen, dieses Thema in den Fokus der Veranstaltung zu rücken?
 
Dr. Philipp Weiß: In den vergangenen Jahren haben wir uns mit großen Branchenthemen wie Klimaneutralität und der Digitalisierung beschäftigt. Das sind wichtige technische Themen, aber eine zentrale Frage bleibt dabei im Hintergrund: Wie sichern wir die Zukunft der Branche? Der demografische Wandel und der Fachkräftemangel machen Nachwuchsgewinnung zur Schlüsselaufgabe. Wir möchten die Gestalter der Branche zusammenbringen, um gemeinsam Strategien zu entwickeln, die junge Talente für die Gießerei-Industrie gewinnen und dauerhaft binden können. Für die Veranstalter ist das Thema Nachwuchsgewinnung dabei ein ganz natürlicher Schwerpunkt: Das Gießerei-Institut bildet seit Jahrzehnten Fachkräfte für die Branche aus, und die Aachener Gießerei-Familie engagiert sich intensiv für die Förderung des Nachwuchses.
 
Wie stark ist der Nachwuchsmangel in der Gießerei-Industrie derzeit spürbar? 
 
Weiß: Gute Ingenieure und motivierte Auszubildende zu finden, ist für viele Unternehmen eine echte Herausforderung. Gleichzeitig verlassen in den nächsten Jahren viele erfahrene Fachkräfte den Arbeitsmarkt. Tückisch dabei ist, dass der eigentliche Schmerz erst dann spürbar wird, wenn dieser Mangel über einen längeren Zeitraum anhält – dann werden die Auswirkungen auf Produktion und Innovation deutlich sichtbar.
 
Welche Faktoren tragen Ihrer Meinung nach am stärksten dazu bei, dass es in der Branche an qualifiziertem Nachwuchs mangelt?
 
Weiß: Besonders die Imagefrage ist ein Kernthema unserer Verbände. Ganz vorne steht nach wie vor, dass viele junge Menschen die Gießerei-Branche wenig kennen. Wir zeigen zu selten, wie innovativ und vielfältig unsere Industrie tatsächlich ist. Die richtige Balance zu treffen, ist allerdings nicht einfach: Einerseits müssen wir den Ernst der Lage – etwa durch die Diskussion über hohe Strompreise – klar ansprechen, andererseits müssen wir, gerade mit Blick auf die Nachwuchsfrage, die positiven, frischen Aspekte unserer Branche betonen.
 
Auf welche Weise nähert sich das Gießerei-Institut dieser Thematik an?
 
Weiß: Das Aachener Gießerei-Institut und auch andere Universitätsstandorte bieten eine praxisnahe, wissenschaftlich fundierte Ausbildung, die sehr gut auf die Anforderungen der Branche abgestimmt ist. Neben der Vermittlung von Fachwissen fördern wir durch Veranstaltungen, Exkursionen und andere Events eine starke persönliche Bindung zur Branche. Diese Kombination aus akademischer Exzellenz und intensivem Kontakt zur Branche hilft, die Identifikation mit der Gießerei-Industrie zu stärken und junge Talente gezielt auf die Herausforderungen der Zukunft vorzubereiten.
Mit dem Gießerei-Kolloquium möchten Sie nun in einen konstruktiven Diskurs zum Thema Nachwuchs eintreten.
 
Mit dem Gießerei-Kolloquium möchten Sie nun einen konstruktiven Diskurs zum Thema Nachwuchs anstoßen. An welche Zielgruppe richtet sich die Veranstaltung besonders?
 
Weiß: Nachwuchsförderung ist eine große Herausforderung, die uns alle in der Branche betrifft – und die wir am besten gemeinsam bewältigen können. Deshalb richtet sich die Veranstaltung an alle, die Verantwortung für die Zukunft ihrer Unternehmen tragen – von Geschäftsführern bis zu Personal- und Fachverantwortlichen. Die Unternehmen der Branche werden in dieser Frage wesentlich durch die Verbände unterstützt, die schon bei der Gestaltung des Programms eine wichtige Rolle gespielt haben. Es ist entscheidend, dass Akteure aus vielseitigen Bereichen vertreten sind, um wirksame Lösungen zu entwickeln.
RWTH Aachen
Industrie trifft Wissenschaft: Das AGK 2025 findet am Gießerei-Institut der RWTH Aachen statt - und damit in forschungsnaher Atmosphäre. RWTH Aachen
Welche Schwerpunkte wird die Veranstaltung behandeln?
 
Weiß: Im ersten Schritt stellen wir uns natürlich die Frage, wie wir die junge Generation – „Gen Z“ und die nachfolgenden Jahrgänge – erreichen und für unsere Branche begeistern können. Gleichzeitig werfen wir die Frage auf, was die Fachkräfte von morgen wirklich brauchen. Dabei betrachten wir nicht nur das Berufsbild der Gießereifachleute der Zukunft, sondern auch die Bedeutung einer Unternehmenskultur, die den Erwartungen und Bedürfnissen der kommenden Generation gerecht wird. Wie Universitäten und Ausbildungsbetriebe auf diese Herausforderungen reagieren steht ebenfalls im Fokus. Dazu zählen auch Internationalisierung, sowohl in der Ausbildung als auch in der Arbeitswelt. 
 
Ihr persönliches Highlight?
 
Weiß: Besonders spannend sind die erfolgreichen Lösungsansätze aus erster Hand, die wir präsentieren – von Gießer zu Gießer, direkt aus der Praxis. Darüber hinaus beleuchten wir Bereiche mit großem Entwicklungspotenzial wie die Förderung von Frauen in unserer Branche.
 
Aus welchen Bereichen kommen die Referenten?
 
Weiß: Wir freuen uns auf hochwertige Beiträge aus dem BDG und VDI, führenden Ausbildungsstätten und innovativen Praktikern aus der Industrie. Einen Blick über den Tellerrand möchten wir auch durch Anregungen aus den Bereichen Personalwesen, Marketing und Maschinenbau einbringen. 
 
Was erhoffen Sie sich von der Diskussion während der Veranstaltung und welche konkreten Impulse sollten von ihr ausgehen?
 
Weiß: Ziel der Veranstaltung ist es, die Nachwuchsthematik umfassend zu beleuchten – von aktuellen Herausforderungen bis hin zu kreativen Ansätzen. Am Ende soll jeder Teilnehmer neue konkrete Ideen mit nach Hause nehmen. Gleichzeitig möchten wir ein gemeinsames Verständnis dafür schaffen, wie wir die Nachwuchsfrage angehen können, um darauf aufbauend gemeinsame Lösungsansätze für die Branche zu entwickeln.
 
Ein Novum ist die nicht-technische Ausrichtung des Gießerei-Kolloquiums. Welche weiteren Veränderungen gibt es etwa mit Blick auf Konzept und Formate?
 
Weiß: Um dem für uns außergewöhnlichen, nicht-technischen Thema gerecht zu werden, haben wir auch das Veranstaltungsformat angepasst. Gemeinsam mit der erfahrenen Moderatorin Ariane Bertz setzen wir auf eine interaktive Ausrichtung, die den offenen Austausch fördert und den Teilnehmern ermöglicht, aktiv in die Diskussion einzutauchen. Die Besucher dürfen sich auf ein Kolloquium freuen, das sicher nicht wie jedes andere sein wird.
 
Wie schätzen Sie die zukünftigen Anforderungen an Nachwuchskräfte in der Gießerei-Industrie ein? Welche Rolle spielen Digitalisierung und Automatisierung?
 
Weiß: Die Digitalisierung und Automatisierung werden die Anforderungen an zukünftige Fachkräfte in der Gießerei-Industrie maßgeblich verändern. Während tiefgehende gießereitechnische Kenntnisse auch weiterhin entscheidende Grundlage bleiben, wird zunehmend die Fähigkeit gefragt sein, moderne Technologien wie Machine Learning in den Produktionsprozess zu integrieren. Auch die Gießerei wird sich weiterentwickeln und immer stärker auf Visualisierung und datengetriebenes Arbeiten setzen, was bereits jetzt enorme Potenziale für Effizienzsteigerung und Innovation entfaltet.
 
Die Branche steckt auch mitten in der Transformation hin zur klimafreundlichen Industrie. Inwiefern sollten Nachhaltigkeit und Umweltbewusstsein als attraktive Perspektive hervorgehoben werden?
 
Weiß: Ich freue mich sehr auf die Diskussionen zu diesem Aspekt. Aus meiner Sicht ist Nachhaltigkeit ganz klar ein zunehmend wichtiger Bestandteil unserer Branche. Ohne Gussprodukte wären viele zukunftsweisende Technologien wie Windkraft oder Elektromobilität nicht möglich. Der Gießprozess und die Kreislaufwirtschaft sind zudem eng miteinander verknüpft, was uns zusätzliche Stärken verleiht. Diese Potenziale müssen wir in der Außendarstellung stärker betonen. 
 
Welche Botschaft richten Sie an junge Menschen, die eine Karriere in der Gießerei-Industrie in Betracht ziehen? 
 
Weiß: Viele Vorzüge der Branche haben wir bereits besprochen. Also: Geht den Schritt, ihr werdet es nicht bereuen. Die Branche ist voller inspirierender Menschen, die relevante und zukunftsträchtige Themen antreiben. Bei uns werdet ihr mit offenen Armen und einer tollen Community empfangen, in der ihr euer Wissen schnell und verantwortlich einbringen könnt. 
 
Dr. Philipp Weiß leitet seit 2018 den Produktionsbereich Rohrfertigung bei der Schmidt + Clemens GmbH + Co. KG in Lindlar. Neben seiner beruflichen Tätigkeit engagiert sich der 37-jährige als Beiratsvorsitzender der Aachener Gießer-Familie (AGIFA), dem Alumniverein des Gießerei-Instituts. In dieser Rolle ist er auch Teil des Programmausschusses des Aachener Gießerei-Kolloquiums und damit an der inhaltlichen Gestaltung der Veranstaltung beteiligt. 
 
Das Interview führte Niklas Reiprich, Redakteur GIESSEREI.
 
Beitragsbild: Philipp Weiß