News
Technische Details und historischer Hintergrund: Geschäftsführer Lars Steinheider und Werkleiter Arno de Buer (3. und 4. von links) mit dem Präsidentenpaar. - © BDG/Piterek
30.09.2021

Aufbruchstimmung auf der Hütte

Anlässlich des Anwerbeabkommens 1961 mit der Türkei besuchte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier neben der Essener Zeche Zollverein und einem Deutsch-Türkischen Fußballverein in Bochum auch die Stahlgießerei Friedrich Wilhelms Hütte in Mülheim an der Ruhr. Dort erlebte der erste Mann im Staat einen Abguss, sprach mit Beschäftigten mit Migrationshintergrund, erfuhr von Problemen der Branche – und machte Mut.

Es war ein denkwürdiger Tag für die Friedrich-Wilhelms-Hütte (FWH) und die deutsche Gießerei-Industrie. Denn Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier besucht nicht alle Tage ein Unternehmen der Branche, die aktuell u. a. mit Herausforderungen wie Klimaneutralität, Elektromobilität, hohen Strompreisen sowie den Folgen der Coronapandemie zu kämpfen hat. Die Sicherheitsvorkehrungen waren entsprechend hoch, ebenso wie das Interesse von Landes-, Regional- und Fachmedien.

Anlass war das vor nunmehr 60 Jahren abgeschlossene Anwerbeabkommen von Gastarbeitern mit der Türkei im Jahre 1961. Die Friedrich-Wilhelms-Hütte ist mit ihrem Anteil von 45 Prozent Mitarbeitern mit Migrationshintergrund, die zum Teil schon in der dritten Generation in der Hütte arbeiten, ein Vorzeigebeispiel gelungener Integration. „Wir sind hier in einem Gussbetrieb, weil wir zeigen wollen, dass die Arbeit für lange Zeit ein großer Integrationsfaktor war und bis heute nicht an Bedeutung verloren hat“, sagte Steinmeier, der mit seiner Ehefrau Elke Büdenbedner angereist war.

Die Friedrich-Wilhelms-Hütte hat seit Anfang September mit der Beteiligungsgesellschaft CE Capital einen neuen Eigentümer, der das Unternehmen weiterentwickeln will (die GIESSEREI berichtete). Neuer Geschäftsführer der FWH Stahlguss GmbH ist Lars Steinheider, der in der Branche u. a. als ehemaliger Geschäftsführer des Bremsscheibenherstellers Buderus Guss Breidenbach bekannt ist. Neben ihm vertrat auch der Gechäftsführende Gesellschafter von CE Capital Nicolas Neumann das Unternehmen gegenüber dem Präsidentenpaar.

Steinmeier und seine Frau wohnten dem Abguss von zwei 6-Tonnen-Kranhaken bei. Werksleiter Arno de Buer erklärte die technischen Details, während Lars Steinheider die Historie der Gießerei aufrollte, die seit 1907 Stahl gießt und bereits über 200 Jahre lang besteht. Die Integration von Gastarbeitern wurde durch Sprachkurse, gemeinsame Veranstaltungen und ein Schwimmbad auf dem Gelände gefördert. „Die türkischstämmigen Mitarbeiter sagen heute: Ihr seid unsere Familie“, berichtete Steinheider und bekräftigte, ohne Mitarbeiter mit Migrationshintergrund könne nicht produziert werden. „Sie sind eine Stütze für unser Unternehmen und finden sich auf allen Hierarchieebenen.“

Bei dem Besuch kamen auch Themen zur Sprache, deren Klärung für den Bestand der Branche elementar sind – und die jetzt bei der Neujustierung der Machtverhältnisse nach der Bundestagswahl höchster Aufmerksamkei bedürfen. So sprach Steinheider die Reduzierung der CO2-Emissionen bei der FWH um über 50 Prozent seit 2015 an. Fossile Brennstoffe benötigt die „Hütte“ mit ihrem Schmelzbetrieb aus Lichtbogenöfen in Kombination mit Induktionsöfen nicht mehr. Vom Bundespräsidenten auf eventuelle Probleme bei der Schrottversorgung angesprochen, verneinte Steinheider das für den Stahlguss, machte aber auf die Eisengießereien mit ihrem hohen Bedarf an Schrotten und ihre „eminenten Versorgungsprobleme“ aufmerksam. Bei den Mülheimer Stahlgießern ist aktuell die Versorgung mit Sondersanden kritisch.

Nach dem Abguss kam das Präsidentenpaar in einer Runde mit der Geschäftsführung, Beschäftigten mit Migrationshintergrund sowie dem Oberbürgermeister von Mülheim/Ruhr Marc Buchholz zusammen. Zur Bundestagswahl äußerte sich der Bundespräsident nicht, sagte aber: „Wir haben einen Teil unseres wirtschaftlichen Erfolgs dem Umstand zu verdanken, dass wir einen hohen Teil der industriellen Wertschöpfung im Land gehalten haben“, und betonte: „Dafür gilt es auch für die Zukunft zu sorgen!“

Mehr zum Bundespräsidentenbesuch erfahren Sie in GIESSEREI 11-2021

www.fwh.de