Trotz ihres Wissens- und Erfahrungsschatzes können sich kleine und mittlere Unternehmen (KMU) oft keine eigenen Forschungsaktivitäten leisten. Im deutschen Mittelstand liegt jedoch in der Produkt- und Technologieentwicklung großes Innovationspotenzial für wirtschaftliche und gleichzeitig nachhaltige Lösungen. Die Industrielle Gemeinschaftsforschung (IGF) bietet seit 1954 in Deutschland eine Lösung: vorwettbewerbliche, branchenübergreifende und transferorientierte Kooperation von Wirtschaft und Wissenschaft. Das bestätigt eine vom Bundeswirtschaftsministerium beauftragte Evaluationsstudie der Kienbaum Consultants International GmbH, deren Ergebnisse Anfang Januar 2022 vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) veröffentlicht wurden.
Erleichterter Zugang zu praxisorientierten Forschungsergebnissen
Zur Erreichung der Ziele des Förderprogramms IGF zugunsten mittelständischer Unternehmen wurde „insgesamt ein positives Fazit“ gezogen, heißt es in dem Abschlussbericht. Grundlage dieser Erfolgskontrolle sind quantitative Befragungen von und teilweise intensive Interviews mit 474 kleinen und mittleren Unternehmen, 564 Forschungseinrichtungen und 82 Forschungsvereinigungen. Zielerreichung, Wirkung und Wirtschaftlichkeit wurden für den Zeitraum vom 1. September 2017 bis 31. Dezember 2020 überprüft.
Etwa zwei Drittel der KMU in projektbegleitenden Ausschüssen der Industriellen Gemeinschaftsforschung gaben in Befragungen zum Netzwerkausbau an, im Jahr zu durchschnittlich drei Netzwerken oder Partnern Kontakte aufzubauen. Über 30 Prozent haben ein oder mehrere Forschungsergebnisse für die Weiterentwicklung und Optimierung ihrer eigenen Produkte (darunter 40 Prozent), Dienstleistungen (darunter 24 Prozent), Verfahren (darunter 24 Prozent) und auch für Patentanmeldungen (darunter 3 Prozent) direkt genutzt.
Nahezu alle befragten Unternehmen und Forschungseinrichtungen würdigten die Unterstützung durch den erfolgreichen Wissens- und Technologietransfer und den erleichterten Zugang zu praxisorientierten Forschungsergebnissen durch die IGF. Über 80 Prozent der Forschungsvereinigungen und -einrichtungen betonten die Aus- und Weiterbildung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern innerhalb des Förderprogramms als zusätzlichen positiven Effekt. Vier Prozent der befragten KMU rekrutierten akademische Nachwuchskräfte aus IGF-Projekten. Nicht zuletzt meldeten 15 Prozent der Forschungseinrichtungen Patente, Gebrauchsmuster und Marken im Zusammenhang von IGF-Projekten in dem Evaluierungszeitraum an.
Forschungsengagement und -bedarf von KMU stark gestiegen
Gleichzeitig verdeutlicht die Evaluation aber auch, dass im Gegensatz zum Budget die Zahl der IGF-Anträge in den beobachteten Jahren erheblich angestiegen ist. Zwangsläufig verstärkte sich die Diskrepanz zwischen eingereichten und geförderten Anträgen: 2017: 67 Prozent und 2020: 46 Prozent. „Das lag in keinem Fall an der Qualität der Anträge, die von unabhängigen Gutachtern geprüft werden, sondern an dem kontinuierlich gestiegenen Forschungsengagement und -bedarf von deutschen KMU“, erklärte der Präsident der AiF Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen „Otto von Guericke“ e.V., Professor Sebastian Bauer. Die AiF begleitet und koordiniert die Industrielle Gemeinschaftsforschung im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz. Das BMWK stellte im Jahr 2021 für die IGF rund 200 Millionen Euro für herausragende Forschungsprojekte und die Netzwerkbildung zwischen mittelständischen Unternehmen und Forschungseinrichtungen bereit.
Handlungsempfehlung: IGF fortsetzen
Die Studie gelangt zu der Handlungsempfehlung, das Förderprogramm Industrielle Gemeinschaftsforschung fortzusetzen. Wörtlich heißt es darin: „Die IGF hat sich als effektives Förderinstrument erwiesen. Die mit der Förderung erzielten Effekte zahlen maßgeblich auf die Erreichung der Programmziele ein. Dabei beweist die IGF seit vielen Jahrzehnten Alleinstellungscharakter in der deutschen (und europäischen) Förderlandschaft und stellt somit einen wichtigen Teil der Innovationsförderung im Bundesgebiet dar.“